Schmerzensgeld nach Autounfall ohne Anwalt erhalten

Auffahrunfall Schmerzensgeld erhalten

Jedes Jahr werden in Deutschland hunderttausende Menschen im Straßenverkehr oder auf dem Fahrrad verletzt. Um für die erlittenen Schmerzen und Verletzungsfolgen entschädigt zu werden, haben Sie dann Anspruch auf eine angemessenes Schmerzensgeld (§ 253 BGB).

Doch ist das Thema Schmerzensgeld mit einer gewissen Unsicherheit behaftet: Die Ermittlung der Höhe des Schmerzensgeldes ist gerade für juristische Laien schwer greifbar.

Wieviel Schmerzensgeld steht mir zu? Wie mache ich mein Schmerzensgeld geltend? Hat die gegnerische Versicherung nicht zu wenige Schmerzensgeld gezahlt? Ohne juristische Hilfe lassen sich die Fragen nur schwer beantworten. 

Die Hemmschwelle, einen Anwalt mit der Durchsetzung zu beauftragen, ist jedoch hoch. Gerade bei kleineren Schadensfällen hat man Sorge, dass der Fall aufgrund des geringen wirtschaftlichen Interesses eher stiefmütterlich behandelt wird. Und wenn einen selber eventuell sogar ein Mitverschulden an dem Schaden trifft, geht man ein gewisses Kostenrisiko ein. Denn der Anwalt ist in diesem Fall verpflichtet, Ihnen als Mandaten einen Teil der Gebühren aufzuerlegen.

Es versteht sich daher, dass viele Geschädigte bei kleineren Verletzungen eher auf einen Anwalt verzichten wollen. Auf der anderen Seite wäre es sehr ärgerlich, das Schmerzensgeld nicht oder nicht in voller Höhe zu erhalten. Denn hierdurch lassen Sie buchstäblich bares Geld liegen.

Grundsätzlich ist es jedoch auch möglich, Ihr Schmerzensgeld ohne einen Anwalt durchzusetzen. Wie dies funktionieren kann, zeigen wir Ihnen anhand eines alltäglichen Beispiels: dem Auffahrunfall.

Stellen Sie sich vor, Sie sind auf dem Weg zur Arbeit. Dabei geraten Sie in einen Stau. Der Wagen hinter Ihnen ist leider unachtsam, bremst nicht rechtzeitig ab und fährt Ihnen auf. Dabei wird in erster Linie Ihr Wagen beschädigt. Nachdem sich die Aufregung erstmal gelegt hat, fällt Ihnen auf, dass Sie unter starken Schmerzen im Nackenbereich leiden, und Ihren Kopf nicht mehr vollständig drehen können.

Dokumentation und Sammlung von Beweisen

Der erste Schritt auf dem Weg zu einem Schmerzensgeldanspruch stellt die Dokumentation der erlittenen Verletzung dar. Um zurück auf das Beispiel zu kommen: Wenn Sie nach dem Auffahrunfall merken, dass „irgendwas nicht stimmt“ sollten Sie zunächst Ihren Arzt aufsuchen. Dieser wird dann entweder durch eine Gesprächsanamnese oder durch Auswertung eines Röntgenbildes Ihrer Halswirbelsäule ein Schleudertrauma feststellen.

Wenn die Diagnose gestellt wurde, müssen Sie nun am besten anfangen zu dokumentieren, wie die Verletzung Sie im Alltag beeinträchtigen und inwieweit Sie noch unter Schmerzen leiden. Hierfür bietet sich ein Schmerztagebuch an. Wenn es zu sichtbaren Verletzungen wie einer Prellung oder Schürfwunden gekommen ist, sollten Sie diese fotografisch festhalten.  

Alle ärztlichen Belege, wie der Arztbericht, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, Quittungen für Heilbehandlungsmaßnahmen oder auch Bilder und Schmerztagebucheinträge sollten Sie unbedingt aufbewahren, um gegenüber der gegnerischen Versicherung Ihren Anspruch nachzuweisen.

Geltendmachung bei Versicherung

Im Regelfall wird nach einem Schadensfall, wie im Beispiel der Verkehrsunfall, der Unfallgegner den Schaden bereits seiner Versicherung gemeldet haben. Hierzu ist er aus dem Versicherungsvertrag heraus verpflichtet. Sie werden in diesem Fall einige Schreiben der gegnerischen Versicherung erhalten, die Ihre Schadensregulierung zum Anlass haben. Grundsätzlich müssen Sie diese, wenn Sie Ihren Schaden ohne Anwalt regulieren wollen, höchstsorgfältig durchlesen. Besondere Vorsicht sollte bei Einwilligungen walten lassen.

Wenn Ihrem Fall durch die gegnerische Versicherung eine Schadensnummer zugeordnet wurde, können Sie unter der Angabe dieser Nummer bei der gegnerischen Versicherung Ihren Schmerzensgeldanspruch erheben. Sie sollten der gegnerischen Versicherung hierfür eine angemessene Bearbeitungsfrist setzen. Neben der Bezifferung des Schmerzensgeldes sollten Sie zudem die Belege beifügen, die Ihren Schmerzensgeldanspruch begründen.

Doch wie hoch ist Ihr Schmerzensgeldanspruch überhaupt?

Bezifferung der Schmerzensgeldhöhe

Nun kommt einer der schwierigsten Schritte in der Durchsetzung Ihres Schmerzensgeldanspruchs: Die Ermittlung der Höhe Ihres individuellen Schmerzensgeldes.

Grundsätzlich muss das Schmerzensgeld, um seiner Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion gerecht zu werden, „angemessen“ sein. Die Angemessenheit stellt dabei einen „auslegungsbedürftigen Rechtsbegriff“ dar. Fest steht nur:

Je schwerer die Verletzung ist, desto höher soll das Schmerzensgeld sein. Einen ersten Orientierungspunkt bei der Bestimmung des Schmerzensgeldes stellt die Schmerzensgeldtabelle dar. Dabei handelt es jedoch gerade nicht um eine tabellarische Auflistung, die der Verletzung „X“ das Schmerzensgeld „Y“ zuordnet. Die Tabelle stellt eine Sammlung von Urteilen dar, welche die Angemessenheit von Schmerzensgeldern zum Inhalt haben. Denn in einer gerichtlichen Auseinandersetzung obliegt nach § 287 ZPO die Bewertung des angemessenen Schmerzensgeldes grundsätzlich dem billigen Ermessen des Gerichts. Die in der Schmerzensgeldtabelle enthaltenden Urteile lassen sich aber auch in einer außergerichtlichen Auseinandersetzung immer ausführen. Sie sind jedoch nicht bindend!

Innerhalb der Schmerzensgeldtabelle können Sie nun Urteile heraussuchen, die ähnlich gelagerte Verletzungen zum Inhalt hatten. Diese können Sie zur Begründung Ihres Schmerzensgeldes nutzen.

Zurück zum Beispiel:  Es kann der Schmerzensgeldtabelle entnommen werden, dass für eine HWS-Distorsion wie im Beispiel zwischen 150,00 € bis 500,00 € gefordert werden können.

Ein weiteres Problem: Die Schmerzensgeldtabellen, die in der juristischen Praxis als bewährt gelten und von Versicherungen und Gerichten herangezogen werden (z.B. Hacks/Wellner/Häcker oder die IMDAT Plus Datenbank) sind regelmäßig hinter einer Paywall. Nur wenige Urteile sind frei zugänglich, aktuell und vollständig. Auch dies erschwert eine realistische Einschätzung des eigenen Schmerzensgeldanspruchs.

Bitte denken Sie daran, bei der Schmerzensgeldhöhe aus einem Urteil die Inflation der Zwischenzeit mit einzuberechnen. Wenn zum Beispiel im Jahr 2010 ein Gericht für eine HWS-Distorsion 100,00 € als angemessen erachtet hat, wären dies im Jahr 2020 bereits 114,23 €. Es ist ständige Rechtsprechung des BGH, dass bei den Schmerzensgeldansprüchen auch die Inflationen mit einbezogen werden müssen.

Zu geringes Schmerzensgeld von Versicherung erhalten

Ihre Eigenbemühungen, Ihr Schmerzensgeld selbst geltend zu machen, werden kaum belohnt. Wenn Sie sich juristisch nicht vertreten lassen und erkennbar keine Urteile aus den Standardwerken zitieren können, erkennt die gegnerische Versicherung, dass Sie sich der komplexen Materie des Personenschadensrechts nicht auskennen. 

Die Folge: Ihr Schmerzensgeld wird erheblich gekürzt oder sogar aufgrund einer Bagatellverletzung oder eines vermeintlichen Mitverschuldens gänzlich abgelehnt. Wir haben beispielsweise Fälle bearbeitet, in denen die Versicherung hinterher das Zehnfache des vorher angebotenen Schmerzensgeldes gezahlt hat. 

Häufig verweist die gegnerische Versicherung auf eigene Urteile, die vermeintlich passend(er) seien. Dabei lohnt sich der genaue Blick auf das Urteil, häufig weichen diese in wichtigen Details gänzlich ab. Hierzu ist jedoch eine genaue juristische Prüfung unerlässlich.

In den meisten Fällen wird Ihnen die gegnerische Versicherung versuchen, Ihren Schmerzensgeldanspruch gänzlich abzulehnen, zu verzögern oder zu kürzen. Zu den verschiedenen Tricks in unterschiedlichen Schadensfällen finden Sie hier weitere Informationen:

  1.  Einwilligung in Datenverarbeitung erforderlich? 
  2.  Der Versicherungsnehmer streitet die Schuld nach Verkehrsunfall ab
  3.  Mitverschulden bei Hundebiss
  4.  Mitverschulden bei Fahrradunfall
  5. Versicherung fordert die Ermittlungsakte an
 

Ein beliebter Trick, um die Höhe der Schmerzensgeldauszahlung zu senken, ist Ihnen pauschal ein Mitverschulden vorzuwerfen. Die gesetzliche Grundlage hierfür befindet sich im § 254 BGB. Dabei kann die gegnerische Versicherung Ihnen aus wirtschaftlichen Interessen durchaus ein höheres Mitverschulden vorwerfen, als Ihnen tatsächlich zur Last zu legen ist. Gegen so eine pauschale Behauptung müssen Sie dann mithilfe von Zeugenaussagen oder anderer Beweise vorgehen. Gerade in Verkehrssituationen sollten Sie noch am Unfallort die Kontaktdaten von Zeugen notieren, die gegebenenfalls in Ihrem Sinne aussagen können.

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