Auffahrunfälle stellen einen großen Teil der Verkehrsunfälle in Deutschland dar. Ein gängiger Spruch unter Fahrlehrern lautet daher „In der Fahrschule lernt man nicht das Fahren, sondern das richtige und rechtzeitige Bremsen.“
Gerade an Ampeln, bei Linksabbiegevorfällen und Stauenden kann bereits eine kleine Unachtsamkeit sonst zu einem Auffahrunfall führen. Ungenügender Abstand sowie Fehler beim Abbiegen sind zwei der drei häufigsten Ursachen bei Verkehrsunfällen und machen insgesamt fast 30 % der Verkehrsunfallursachen aus.
Wir erklären Ihnen, was Sie nach einem Auffahrunfall unbedingt wissen sollten!
Muss ich die Polizei rufen?
Es besteht kein gesetzlicher Zwang die Polizei zu rufen. Die Polizei wird jedoch gerade bei Unfällen, in denen ein größerer Personen- oder Sachschaden entstanden ist regelmäßig informiert. Gründe, die Polizei zu rufen, gibt es viele nach einem Unfall:
–Absicherung der Unfallstelle: Die Polizei ist in erster Linie für die Gefahrenabwehr zuständig. Wenn ein Unfall beispielsweise einen Teil einer Straße blockiert, sorgt die Polizei dafür, dass hierdurch möglichst wenige Personen in Gefahr gebracht werden.
–Unfallbericht erstellen: Wenn die Polizei gerufen wurde, erstellt sie regelmäßig einen polizeilichen Unfallbericht. Dieser kann für Sie als Geschädigter wichtig werden: Regelmäßig gibt die Polizei an, wen sie für den Unfallverursacher hält. In diesem Fall kann dies als Beweismittel innerhalb der Schadensregulierung genutzt werden.
– Feststellung der Personalien: Wenn der Unfallgegner sich weigert, Ihnen seine Personalien mitzuteilen, kann die Polizei für Abhilfe sorgen. Denn die Polizei ist kraft staatlicher Gewalt in der Lage, die Personalien festzustellen.
Als Unfallgeschädigter haben Sie keine Nachteile, wenn Sie die Polizei zu einem Unfall hinzuziehen! Es kann vielmehr Ihre Schadensregulierung vereinfachen. Eine Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung benötigt es übrigens zur Durchsetzung eines Schmerzensgeldes nicht.
Welche Daten brauche ich vom Unfallverursacher?
Zur Beantwortung dieser Frage muss zwischen „zwingend gebrauchten“ und „nützlich“ Daten unterschieden werden. In manchen Fällen kann der Unfallgegner unwillig sein, seine Daten herauszugeben, oder sogar Fahrerflucht begehen, um Ihren Schaden nicht regulieren zu müssen.
Dies nützt dem Unfallverursacher jedoch wenig: Sie brauchen weder seinen Namen noch seine Anschrift oder den Namen der Versicherung, um am Ende Ihren Schadensersatzanspruch durchzusetzen.
Denn grundsätzlich genügt das Kennzeichen des Unfallgegners bereits, um dessen Haftpflichtversicherung herauszufinden. Da nach einem Auffahrunfall grundsätzlich der Halter neben dem Fahrzeugführer haftet, kann der Halter und Versicherungsnehmer auch nicht behaupten, er hätte den Wagen gar nicht persönlich gefahren. In diesem Fall muss er nämlich bewiesen können, wer den Unfallverursacherwagen gefahren ist.
In den meisten Fällen wird der Unfallgegner aber kooperieren. In diesem Fall sollten Sie sich folgende Daten notieren: Name, Anschrift, KfZ-Haftpflichtversicherungsunternehmen und (falls vorhanden) auch direkt die Versicherungsscheinnummer. Denn diese Daten können Ihnen helfen, die Schadensregulierung zu beschleunigen. Ein umsichtiger und kooperativer „Auffahrer“ wird Ihnen unter Umständen sogar eine schriftliche Haftungsanerkennung erteilen. Diese führt dazu, dass die Haftpflichtversicherung Ihren Schaden schneller reguliert, weil sie nicht mehr ohne Weiteres behaupten kann, dass den Versicherungsnehmer keine Schuld treffe.
Gutachten oder Kostenvoranschlag? In diesem Beitrag finden Sie heraus, was für Sie sinnvoll ist!
Wann muss der Auffahrunfall der Versicherung gemeldet werden?
Der Unfallverursacher muss seiner Versicherung den Auffahrunfall innerhalb einer Woche melden. Die Anzeigepflicht ergibt sich aus § 104 Abs. 1 VVG:
Der Versicherungsnehmer hat dem Versicherer innerhalb einer Woche die Tatsachen anzuzeigen, die seine Verantwortlichkeit gegenüber einem Dritten zur Folge haben könnten. Macht der Dritte seinen Anspruch gegenüber dem Versicherungsnehmer geltend, ist der Versicherungsnehmer zur Anzeige innerhalb einer Woche nach der Geltendmachung verpflichtet.
Wenn er dieser Anzeigepflicht nicht nachkommt – beispielsweise weil er der Auffassung ist, dass er am Auffahrunfall keine Schuld trägt -, so ist es ausreichend, wenn Sie seiner Versicherung den Schadensfall melden. Die Versicherung können Sie anhand des Kennzeichens über den Zentralruf der Autoversicherer ermitteln.
Die gegnerische Versicherung holt dann selbst eine Schadensmeldung beim Versicherungsnehmer ein. Sollte dieser trotzdem nicht reagieren, so muss die gegnerische Versicherung – abhängig von der Sachlage – trotzdem Ihre Ansprüche regulieren. Die Meldung des Unfallverursachers ist nicht zwingend, damit Sie Schadenersatz und Schmerzensgeld nach einem Auffahrunfall erhalten.
Wann zahlt die gegnerische Versicherung/ der Gegner?
Die gegnerische Versicherung zahlt im Versicherungsfall. Diese (vermeintliche) Selbstverständlichkeit bedarf trotzdem ein paar Worte der weiteren Erklärung. Versicherungsfall innerhalb der Kfz-Haftpflichtversicherung bedeutet zunächst, dass die Versicherung bei einem fahrlässigen verschuldeten Autounfall sich verpflichtet, die hieraus entstandenen Schäden zu regulieren. Kein Versicherungsfall liegt hingegen vor, wenn der Unfallgegner absichtlich mit seinem Wagen auf Ihr Fahrzeug auffährt. Denn für vorsätzliche Delikte greift regelmäßig kein Versicherungsschutz.
Der Zeitpunkt der Zahlung ist leider nicht vorhersehbar. In vielen Fällen kann sich die Schadensregulierung über mehrere Wochen ziehen. Welche Möglichkeiten Ihnen dann offenstehen, können Sie hier nachlesen.
Welche Ansprüche habe ich nach einem Auffahrunfall?
In der Schadensregulierung gilt nach §§ 249 ff. BGB, dass der Schädiger den Geschädigten so stellen muss, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten.
Wurde also bei einem Auffahrunfall Ihr Fahrzeug und Ihre Uhr zerstört, dann muss der Unfallverursacher den Wagen und die Uhr ersetzen, beziehungsweise die Reparaturkosten bezahlen. Kosten für die Heilbehandlung werden zwar grundsätzlich durch Ihre Krankenversicherung gezahlt, jedoch kann die private oder gesetzliche Krankenversicherung Regress beim Unfallverursacher nehmen.
Neben diesen offensichtlichen Ansprüchen besteht darüber hinaus aber auch eine Vielzahl von weiteren Ansprüchen, die sich aus dem Verkehrsunfall ergeben können. Eine ausführliche Auflistung Ihrer Ansprüche nach einem Auffahrunfall finden Sie hier.
Kann ich bei einem Auffahrunfall eine Mitschuld haben?
Der Schadensersatzanspruch mit seinen Positionen wird nach Verschulden auf die Unfallbeteiligten aufgeteilt.
Beispiel: Bei einem beiderseitig verursachten Auffahrunfall müssen die Versicherungen jeweils 50 % des gegnerischen Schadens regulieren.
Bei den allermeisten Auffahrunfällen hat der Auffahrende Schuld. Grundsätzlich gilt gem. § 4 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO):
Der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug muss in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird.
Kommt es zu einem Auffahrunfall, greift der sogenannte Anscheinsbeweis, dass der Auffahrende einen zu geringen Sicherheitsabstand einhalten hat und deshalb nicht mehr rechtzeitig auf das Verkehrsgeschehen reagieren konnte.
Dies gilt auch für plötzliche Verkehrssituationen:
Ein plötzliches scharfes Bremsen des Vorausfahrenden muss ein Kraftfahrer grundsätzlich einkalkulieren.
– BGH, Urteil vom 16.1.2007, Az. VI ZR 248/05
Dies führt zu einer Umkehr der Beweislast: wenn Sie Schadenersatz erhalten wollen, müssen Sie alle Umstände, die den Schadenersatzanspruch begründen, vollständig beweisen. Bei einem Anscheinsbeweis hingegen wird aufgrund der typischen Konstellation angenommen, dass sich ein bestimmter Vorgang – hier: zu wenig Abstand des Auffahrenden zum Vordermann- vorlag, ohne dass dieser von Ihnen bewiesen werden muss. Der Auffahrende muss nun widerlegen, dass dieser typische Vorgang vorlag. Dies nennt man sekundäre Beweislast.
Die Schuld wird im Falle eines Auffahrunfalls regelmäßig beim Auffahrenden liegen. Viele irren sich jedoch in der Annahme, dass bei einem Auffahrunfall der Auffahrende immer zu 100 % die Schuld trägt.
Denn bei Betrieb eines motorisierten Fahrzeugs geht der deutsche Gesetzgeber von einer „Betriebsgefahr“ aus. Dies bedeutet: Das Führen eines Fahrzeuges ist immer latent gefährlich, sodass diese Gefahr Ihres eigenen Fahrzeugs berücksichtigt werden muss. Dies stellt aber natürlich nur eine grundsätzliche Vermutung dar. Die Betriebsgefahr kann – wie bei einem Auffahrunfall im Straßenverkehr typisch – vollständig vom Veursachungsbeitrag des Auffahrenden verdrängt werden.
Damit wird die anzurechnende Betriebsgefahr bei Auffahrunfällen zumeist nur bei Parkplatzunfällen relevant.
Fazit
Als Geschädigter haben Sie nach einem Auffahrunfall einen Anscheinsbeweis, der für die Schuld des Auffahrenden spricht.
Sollte der Unfallverursacher den Auffahrunfall nicht melden, so müssen Sie hierauf nicht weiter warten sondern können über das Kennzeichen des Unfallverursachers die Versicherung ermitteln und den Fall selbst melden.
Wenn Sie bei einem Auffahrunfall verletzt worden sind, sollten Sie Ihren Schmerzensgeldanspruch nicht selbst durchsetzen und keinesfalls die vorgegebenen Formulare der gegnerischen Versicherung unterzeichnen.
Wenn Sie versuchen, Ihre Ansprüche nach einem Auffahrunfall selbst geltend zu machen, braucht es dann aber einen langen Atem. Mit unserem Fachwissen und unserer Erfahrung in der Schadensregulierung helfen wir Ihnen dabei- vollständig kostenlos. Wenn Sie Geschädigter eines Auffahrunfalls sind, können Sie uns jederzeit Ihren Fall kostenfrei schildern.