Foto: Bafin/Hartmann Photography
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat am 21.06.2021 eine Allgemeinverfügung erlassen und damit Sparkassen und Kreditinstitute verpflichtet, Verbraucherinnern und Verbraucher über unwirksame Zinsklauseln in den Prämiensparverträgen zu informieren.
Hierdurch werden hunderttausende Verbraucher über die ihnen wahrscheinlich zustehenden Zinsansprüche aus den zahlreich abgeschlossenen Prämiensparverträgen informiert.
Unwirksame Zinsanpassungsklauseln in Prämiensparverträgen
Die bis weit in die 1990er insbesondere von Sparkassen angebotenen Prämiensparverträge enthielten sogenannte Zinsanpassungsklauseln. Mit denen sollte festgelegt werden, zu welchem Zinssatz die Spareinlagen innerhalb des Ansparungszeitraums verzinst werden sollen. Hinzu kam dann zumeist noch eine beachtliche Abschlussprämie.
Das Problem: Die Sparkassen und Kreditinstitute haben eine Reihe von unwirksamen Zinsanpassungsklauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendet, die intransparent und den Sparer einseitig benachteiligend waren.
So wurden beispielsweise Zinsanpassungen
- durch Aushänge der Sparkassen einseitig festgelegt oder
- Referenzzinssätze wurden nicht im vollen Umfang an die Sparer weitergegeben.
Eine Auflistung der unwirksamen Zinsanpassungsklauseln in Prämiensparverträgen finden Sie hier.
Die Folge: Die Zinsanpassungsklausel ist unwirksam. Doch ein vollständiger Wegfall einer Zinsanpassungsklausel würde zu einer noch stärkeren Benachteiligung der Sparer führen. Deshalb wird im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung eine Zinsanpassungsklausel abgeleitet, die zum Zeitpunkt des Vertrags von Sparkasse und Sparer gewollt gewesen wäre und die Interessen beider Parteien angemessen berücksichtigt. Die Folge: Dem Sparer stehen durch eine für ihn günstigere Zinsberechnung ein zusätzlicher, bisher nicht gezahlter Zinsanspruch zu.
Aufgrund der unwirksamen Zinsklauseln haben Verbraucherinnen und Verbraucher nach Berechnungen der Verbraucherzentralen einen ausstehenden Zinsanspruch von über 4.000,00 €.
Der BGH hat in mehreren Urteilen immer weiter konkretisiert, wie die ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen ist, sodass eine Zinsberechnung anhand der Rechtsprechung des BGH immer weiter konkretisiert werden kann, um den weitergehenden Zinsanspruch begründen zu können.
Gleichwohl haben die Sparkassen mit Einwänden, die Rechtsprechung sei noch nicht hinreichend konkret, versucht, einen weitergehenden Zinsanspruch abzuwehren. Ohne hartnäckige, rechtliche Vertretung war zumeist eine weitere Zinszahlung nicht zu erreichen.
Reaktionen auf die unwirksame Zinsklausel in Prämiensparverträgen
Musterfeststellungsklagen der Verbraucherzentralen
Neben einigen Individualklagen betroffener Verbraucher haben insbesondere die Verbraucherzentralen eine weitergehende, rechtliche Klärung avisiert. So hat beispielsweise die Verbraucherzentrale Sachen Musterfeststellungsklagen gegen die dortige Sparkasse initiiert – ein Entscheidung des Bundesgerichtshofs steht noch aus. Aber auch bayrische Verbraucherzentralen haben Musterfeststellungsklagen angestrengt.
Das Problem hierbei: Ist der Anspruch festgestellt, ist dieser jedoch noch nicht beziffert. Hierum muss sich dann – wenn kein Vergleich geschlossen wird – jeder Verbraucher wieder einzeln bemühen, was insbesondere aufgrund der Zins- und Zinseszinseffekte und der komplexen Referenzmaßstäbe ist dies für Verbraucher ohne Weiteres kaum möglich.
Mediale Berichterstattung
Daneben haben insbesondere Presseberichte zu einer Sensibilisierung der betroffenen Sparer geführt. Die von der ARD produzierte Dokumentation „Der rote Riese zockt ab“ wurde allein 1,5 Millionen mal auf Youtube abgerufen.
Kündigungswelle der Sparkasse
Hinzu kommen von der Sparkasse selbst geschaffene Probleme: die vertraglich zugesicherten Zinsen im Prämiensparvertrag sind im aktuellen Niedrigzinsumfeld kaum mehr durch Sparkassen und Kreditinstitute aufzubringen, weshalb viele Sparkassen die zumeist als ergänzende Altersvorsorge gedachten Prämiensparverträge kündigen – und nicht immer rechtmäßig.
Durch die anschließende Recherche stießen Sparer auf die unwirksamen Zinsklauseln und – die vierstelligen Zinsansprüche.
Eingreifen der Bafin
Die Bafin hat als Aufsichtsbehörde der Sparkassen und Banken die Problematik der Benachteiligung von Verbrauchern durch unwirksame Zinsanpassungsklauseln in Prämiensparverträgen erkannt.
Im Bafin-Journal Februar 2020 wies sie bereits darauf hin, dass die Sparkassen und Banken „angemessene Lösungen“ finden sollen. Die Bafin warnte bereits unmissverständlich:
Die Rechtsprechung zu ignorieren und die unwirksamen Klauseln bewusst kommentarlos weiterzuverwenden, sieht die BaFin dagegen als Missstand [...], bei dem sie eingreifen kann.
Bafin-Journal 02/2020
Doch viel passiert ist seitdem nicht. Die Sparkassen haben eine proaktive Lösung unserer Erfahrung nach nur sehr zurückhaltend gelöst. Die sieht auch die Bafin so. Die Praxis wurde weitestgehend beibehalten.
Nun hat die Bafin am 21.06.2021 eine rund zehnseitige Allgemeinverfügung erlassen, mit der sie die betroffenen Sparkassen und Kreditinstitute verpflichtet, die betroffenen Verbraucher über die Problematik und die eigene Betroffenheit zu informieren.
Die Bafin fasst die korrekturbedürftigen Missstände in ihrer Allgemeinverfügung wie folgt zusammen:
- So findet sich in der Praxis die Kopplung zu 100 % an den 3-Monats-Euribor, unterschiedliche Zeitreihen in unterschiedlichsten Gewichtungen, gängig ist eine Mischung 30 % 3-Monats-Euribor und 70 % 10-Jahreszins.
- Am weitesten verbreitet ist ein Anpassungsintervall von 3 Monaten, das längste bekannt gewordene Anpassungsintervall ist 6 Monate.
- Als Anpassungsschwelle werden vielfach Werte von 0,10 % bis 0,50 % angewendet.
- Das Modell des relativen Abstandes wird in der Praxis überwiegend nicht umgesetzt. Lediglich fünf der von der BaFin angeschriebenen Kreditinstitute setzen einen relativen Abstand um. Zugrunde gelegt wird in der Praxis also fast ausschließlich ein absoluter Abstand zwischen Referenzzins und Vertragszins.
Damit sind die wesentlichen Vorgaben der BGH Rechtsprechung gerade nicht umgesetzt worden. Auch Vermittlungsgespräche mit den betroffenen Bankenverbänden habe zu keiner adäquaten Lösung geführt, sodass nun das scharfe Vorgehen durch eine Allgemeinverfügung zur Behebung des Missstands erforderlich sei. Die Auswirkungen der Allgemeinverfügung für Sparer erklärt Dr. Thorsten Pötzsch im Interview wie folgt:
Die Banken müssen ihnen entweder unwiderruflich eine Zinsnachberechnung zusichern oder aber einen Änderungsvertrag mit einer wirksamen Zinsanpassungsklausel anbieten.
Dr. Thorsten Pötzsch, Exekutivdirektor der BaFin
Betroffene Sparer werden damit über die Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklausel informiert und es werden Korrekturmaßnahmen durch eine Zusicherung einer Nachberechnung und einer ggfs. Abänderung bestehender Verträge angeboten. Allerdings ist hiermit weder eine automatische Zahlung noch eine richtige Berechnung mit gewährleistet.
Der Verbraucher wird durch die Allgemeinverfügung deutlich besser als vorher gestellt, weil der aufsichtsrechtliche Druck auf die Sparkassen erhöht wird, allerdings sollten keine überspannten Erwartungen an die Umsetzungsbemühungen einer hunderttausendfachen Erstattung im vierstelligen Bereich gesetzt werden.
Verbraucher werden auch weiterhin um die Zinsansprüche aus den Prämiensparverträgen kämpfen müssen.
Zudem ist die Allgemeinverfügung noch nicht rechtskräftig. Es sind Widersprüche gegen die Allgemeinverfügung zu erwarten, wie selbst der Exekutivdirektor im Interview einräumt.
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