Wenn Sie nach einem Verkehrsunfall, Fahrradunfall oder Hundebiss verletzt worden sind und dafür ein Schmerzensgeld erhalten wollen, übernimmt auf der gegnerischen Seite häufig eine Versicherung die Abwicklung Ihres Personenschadens.
Die Durchsetzung eines Schmerzensgeldes auf „eigene Faust“ gestaltet sich nicht selten als mühsam, zeitintensiv und nervenaufreibend. Die Versicherung will unzählige Informationen und Formulare unterzeichnet haben, andernfalls könne die Prüfung Ihres Falles nicht vorgenommen werden (was nicht stimmt).
Viele freuen sich daher, wenn ein Schreiben der gegnerischen Versicherung auftaucht, in der die Forderungen (zumindest größtenteils) anerkannt werden, oder vielleicht sogar die eigenen Vorstellungen übertreffen! Da kann es leicht passieren, dass das Wort „Abfindung“ erstmal in den Hintergrund rückt. Doch dieses Wort ist von zentraler Bedeutung.
Wir erklären Ihnen, was eine Abfindung ist, und welche Risiken bei einer Abfindung für Ihr Schmerzensgeld bestehen.
Was ist eine Abfindung?
Der Begriff der Abfindung ist den meisten Menschen nur aus der Arbeitswelt geläufig: Wenn jemanden gekündigt wurde, kann der Arbeitgeber eine Abfindung zahlen und so eine teure Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht abwenden.
Dieser Gedanke lässt sich grundsätzlich auch auf Schmerzensgelder und Schadenregulierungen übertragen.
Dabei zahlt die gegnerische Versicherung einmalig einen Geldbetrag, Sie hingegen verpflichten sich im Gegenzug, dass damit alle Ansprüche aus Ihrem Schadensfall abgegolten sind. Sie schließen also mit der gegnerischen Versicherung einen „Abfindungsvertrag“, bei dem Sie regelmäßig bei Erhalt der Abfindung auf alle (auch zukünftige) Ansprüche aus dem Schadensfall verzichten.
Bei den Abfindungen nach einem Personenschaden lässt sich zwischen „vorbehaltlosen“ Abfindungen und „Abfindungen mit Vorbehalt“ unterscheiden. Während erste jegliche weitere Ansprüche in der Zukunft, aus der Vergangenheit und der Gegenwart restlos als erfüllt ansieht, werden bei Abfindungen mit Vorbehalt die Ansprüche für die Vergangenheit zwar abdecken, aber bezüglich zukünftiger Ansprüche aus dem Schadensfall weitere Forderungen (nicht vollständig) ausschließen.
Was sind die Nachteile einer Abfindung?
Im ersten Moment hört sich eine Abfindung nach einer Win-Win Situation für beide Seiten an. Sie haben weniger Papierkram, die Versicherung kann die Schadenregulierung abschließen und am Ende haben Sie mehr Schmerzensgeld erhalten, als Sie sich vielleicht erhofft haben. Von dem psychischen Druck, den eine rechtliche Auseinandersetzung in den Regelfällen für Verbraucher bedeutet, mal abgesehen. Da stellt sich jedem die Frage:
Wo ist der Haken?
Regulär wird Ihnen die gegnerische Versicherung keine Abfindung unter Vorbehalt, sondern eine vorbehaltslose Abfindung vorschlagen. In diesem Fall sind alle zukünftigen Ansprüche ausgeschlossen, wenn diese auf den Unfall zurückzuführen sind und auch dann, wenn diese zum Zeitpunkt der Abfindung noch gar nicht vorhersehbar waren. Dies wird in den überwiegenden Fällen auch nicht nur die zukünftigen Schmerzensgeldansprüche, sondern unter Umständen auch Heilbehandlungskosten sowie Erwerbstätigkeitausfall mit einbeziehen! Das finanzielle Risiko kann, abhängig von Ihrer individuellen Situation, hoch sein.
Zusätzlich müssen die möglichen Langzeitfolgen und Dauerschäden, die mit der Verletzung einhergehen können, medizinisch umfassend exploriert werden, um das Folgerisiko beurteilen zu können. Eine Abfindung sollten Sie deshalb außerordentlich sorgsam prüfen.
Beispiel
Durch einen Verkehrsunfall erleiden Sie eine gebrochene Hand und den Bruch zweier Wirbel. Nach mühsamen Auseinandersetzungen mit der Versicherung erhalten Sie eine Abfindung in Höhe von 12.000 € und sind damit einverstanden, dass damit alle Ansprüche aus dem Vorfall, auch für die Zukunft, als abgegolten gelten. Nachdem die Abfindung ausgezahlt wurde, fällt den Ärzten auf, dass Sie im Rückenbereich massives Narbengewebe bilden, was Ihren gesamten Rücken entstellt. Hinsichtlich dieser zusätzlichen Schmerzen und den seelischen Belastungen können Sie trotzdem nicht bei der gegnerischen Versicherung nachfordern. Nachdem das Narbengewebe entfernt wurde, sind Sie für acht Wochen arbeitsunfähig. In diesem Fall erhalten Sie nicht mehr die Differenz zwischen Krankengeld und Ihrem Arbeitsentgelt von der gegnerischen Versicherung ausgezahlt. Sie können sich sogar gegenüber Ihrem Arbeitgeber schadenersatzpflichtig machen.
Inbesondere wenn Kinder verletzt worden sind, sollte eine angebotene Abfindung kritisch überprüft werden. Denn im Regelfall ist gerade aufgrund des Wachstums die abschließende Wundverheilung nicht absehbar. Zusätzlich ist der soziale Leidensdruck bei entstellenden Narben, Bewegungseinschränkungen etc. umfassend zu prüfen.
Abfindung als Arbeitnehmer
Häufig übersehen sind die Folgen einer Abfindung in einem Angestelltenverhältnis gleich welcher Art und die Rechtsfolgen der §§ 6, 7 Abs. 1 Nr. 2 EntgFG, wonach der Schadenersatzanspruch des geschädigten Arbeitnehmers gegen den Schädiger insoweit auf den Arbeitgeber übergeht, als dieser dem Arbeitnehmer Entgelt fortgezahlt und darauf entfallende vom Arbeitgeber zu tragende Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hat.
Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit zu verweigern, wenn der Arbeitnehmer den Übergang eines Schadensersatzanspruchs gegen einen Dritten auf den Arbeitgeber (§ 6) verhindert, z. B. durch Abschluss eines Abfindungsvergleichs.
Wenn Sie eine Abfindung schließen möchten, muss ein solcher Vorbehalt aufgenommen werden. Wir würden Ihnen anraten, diesen Vorbehalt auch dann aufzunehmen, wenn Sie sich (noch) in keinem Angestelltenverhältnis befinden, da die Abfindung auch für die Zukunft wirkt und bei unfallbedingten Folgeschäden, die in einer zukünftigen Anstellung zu einer Arbeitsunfähigkeit führen, die Problematik des Regresses ebenfalls besteht.
Abfindung als Selbstständiger
Wenn mit der Abfindung nicht nur das Schmerzensgeld sondern auch ein etwaiger Verdienstausfall oder Umsatzausfall abgefunden werden soll, so ist der auf den Arbeitsausfall entfallende Abgeltungsbetrag bei der Einkommenssteuererklärung als steuerbare Einkünfte gem. § 2 EStG anzugeben und damit zu versteuern.
Es sollte ein Vorbehalt vereinbart werden, mit dem bei Nachweis die angefallenen Steuern ebenfalls erstattet werden.
Zusätzlich sollte darauf geachtet werden, dass in der Abfindung die Zahlung auf das Schmerzensgeld und auf den Arbeitsausfall getrennt ausgewiesen sind, damit die Steuer nur auf den Verdienstausfall entfällt und nicht auch auf das Schmerzensgeld.
Abfindung bei privater Krankenversicherung
Wenn Sie privatversichert sind, kann eine Abfindung – abhängig vom Inhalt – besonders problematisch sein, weil Sie mit einer Abfindung verhindern, dass Ihre private Krankenversicherung die Heilbehandlungkosten von der gegnerischen Versicherung zurückverlangen kann.
Der Anspruch auf Erstattung der Heilbehandlungskosten geht nämlich nicht bereits im Zeitpunkt seines Entstehens über (so aber bei zeitlich und sachlich kongruenten Leistungen von Sozialleistungsträgern, § 116 Abs. 1 SGB X), sondern erst, wenn Ihre private Krankenversicherung die Heilbehandlungsleistungen tatsächlich erbringt.
Vergleicht sich der Patient über Heilbehandlungskosten, können Ansprüche nicht mehr auf den Versicherer übergehen. Durch den Vergleich läuft der Patient Gefahr, seine Leistungsansprüche gegenüber dem Versicherer wegen Obliegenheitsverletzung (anteilig) zu verlieren, § 86 Abs. 2 VVG.
Bei Beamten sollte klarstellend noch die Beihilfestelle aufgenommen werden.
Wenn Sie gesetzlich krankenversichert sind, sind die Ansprüche bereits mit dem Unfall auf Ihre gesetzliche Krankenversicherung übergegangen, sodass diese Problematik nicht besteht.
Fazit
Abfindungen können eine Chance darstellen, ohne Rechtsstreit eine höhere Summe von der gegnerischen Versicherung nach einem Unfall oder einem anderen Schadensfall zu erhalten. Gerade wenn aber noch nicht absehbar ist, wie sich die Verletzungen weiterentwickeln, sollte hier größte Vorsicht walten und vorbehaltlose Abfindung abgelehnt werden. Insbesondere bei Privatversicherten und Kindern sollte man daher rechtliche Unterstützung in Anspruch nehmen. Denn eine vorbehaltlos abgeschlossene Abfindung kann Ihnen sonst teuer zu stehen kommen.
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