Nach einem Verkehrsunfall die Reparaturkosten, den Schadenersatz und das Schmerzensgeld zu erhalten, kann nervenaufreibend sein:
Selbst wenn Sie alle erforderlichen Informationen und Dokumente eingereicht wurden, lässt die gegnerische Haftpflichtversicherung sich mit der Begleichung des Schadens Zeit. Die Verzögerung der Auszahlung des Schadensersatzanspruchs und des Schmerzensgeldes kann verschiedene Gründe haben. Doch wie können Sie sich als Geschädigter wehren, wenn die Versicherung sich mit der Auszahlung (zu viel) Zeit lässt?
Prüfungsfrist der Versicherung
Auch wenn der Regulierungsantrag und alle anderen erforderlichen Dokumente eingereicht worden sind, überprüft die Versicherung diese natürlich noch. Über die grundsätzliche Dauer, die eine Schadensregulierung betragen darf, gibt es keine gesetzliche Vorschrift. Ihr Anspruch ist zwar bereits ab dem Zeitpunkt des Schadensfalls fällig, kann also gefordert werden.
Ab wann aber die Versicherung mit der Prüfung und Überweisung zu lange braucht, wird unterschiedlich bewertet. Auch die Rechtsprechung äußert sich hierzu nur wage: Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere wie kompliziert der Schadensfall sich gestaltet (OLG Frankfurt, 31.01.1996 – 22 W 27/95). Ein Autounfall mit zwei Beteiligten, bei denen die Vorfahrt genommen wurde, kann schneller aufgeklärt werden, als ein Unfall mit vielen Beteiligten, wo Schuldfrage kompliziert ist.
Der einschlägigen Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass eine Regulierungsdauer von vier bis sechs Wochen als angemessen gelten kann. Hier kommt es aber von Gericht zu Gericht zu unterschiedlichen Einschätzungen:
Zwei Wochen | OLG Saarbrücken, 27.03.2007 |
Drei Wochen | OLG Düsseldorf. 27.06.2007 |
Vier Wochen | OLG München, 29.07.2010; |
Vier bis sechs Wochen | OLG Stuttgart, 06.94.2010, |
Die meisten Gerichte gestehen der Versicherung damit eine vier- bis sechswöchige Prüffrist zu. Somit scheint hier ein Mittelwert für die Prüfungsfrist gefunden worden zu sein. Wie so häufig in juristischen Fragen ist hier erneut zu betonen: Es kommt auf den Einzelfall an.
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Mahnung und Fristsetzung
Dass durch die Rechtsprechung mittlerweile eine angemessene Regulierungsdauer festgelegt wurde, hilft Ihnen jedoch nur bedingt weiter.
Um sich gegen die Nichteinhaltung der Prüfungsfrist zu wehren, können Sie nach Ablauf der Frist anfangen, den Druck auf die Versicherung zu erhöhen. Dabei hilft es in den meisten Fällen, rechtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Zunächst können Sie die gegnerische Haftpflichtversicherung anmahnen, die geschuldete Leistung vorzunehmen. Hierbei müssen Sie eine konkrete Frist benennen, bis zu welchem Zeitpunkt die Zahlung vorgenommen werden soll. Diese Frist muss wiederum angemessen sein. Eine unangemessene Fristsetzung liegt zum Beispiel vor, wenn Sie die Auszahlung des Anspruchs bis zum nächsten Tag fordern.
Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass eine Frist von 10 bis 14 Tagen als eine angemessene Fristsetzung anzusehen ist. Sollten Sie fälschlicherweise eine zu kurze Frist benannt haben, wird Ihre Mahnung zwar nicht ungültig, aber anstelle der zu kurzen Frist wird diese dann durch eine angemessene Frist ersetzt.
Das Problem hierbei ist: Eine angemessene Prüfungsfrist kann zwar bei einem durchschnittlichen Fall zwischen vier bis sechs Wochen betragen. Es kann aber durchaus unverschuldete Probleme geben, sodass die Versicherungen sich häufig darauf berufen werden. In diesem Fall kommt die Versicherung auch nicht mit der Zahlung in Verzug. (vgl. § 286 Abs. 4 BGB „Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.“)
Klagen wegen Regulierungsverzögerung
Wenn die Versicherung die Zahlung verweigert, obwohl sie wirksam von Ihnen in Verzug gesetzt wurde, kann unter Umständen der Gang vor Gericht erwägt werden. Hierbei ist jedoch stets zu beachten, dass Gerichtskosten je nach Erfolgsquote auch auf Sie und die Versicherung aufgeteilt werden können. In diesem Fall tragen Sie ein Prozessrisiko.
Hat jedoch die gegnerische Haftpflichtversicherung die volle Haftung zu tragen, beispielsweise weil ein sofortiges Anerkenntnis vorliegt, muss sie Ihnen die entstandenen Prozesskosten erstatten und ihr werden die Kosten vom Gericht auferlegt.
Gerade bezüglich der anfallenden Gerichtskosten und dem Prozessrisiko sollte aber nicht voreilig geklagt werden, weil bei einem sofortigen Anerkenntnis entscheidend ist, ob die Versicherung „Anlass“ zur Klage gegeben hat. In § 93 ZPO heißt es hierzu:
Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.
Und hier wird die Prüffrist wieder wichtig. Haben Sie innerhalb der Prüffrist Klage erhoben, so bleiben Sie im schlechtesten Fall auf den Gerichts- und Anwaltskosten sitzen, obwohl Sie Recht haben. Deshalb sollte sorgsam geprüft werden, ob die Prüffrist tatsächlich schon überschritten ist.
Kreditkosten etc. müssen erstattet werden
Wenn Ihnen durch den Verzug der gegnerischen Versicherung ein weiterer Schaden entsteht, muss auch dieser beglichen werden.
Beispiel: Bei einem Autounfall wurde Ihr Neuwagen (Wert: 40.000,00€) so beschädigt, dass eine Reparatur von 35.000,00 € nötig ist. Ihr Wagen wird in der Werkstatt zwar fachmännisch repariert, jedoch müssen Sie für die Zahlung der Kosten, die durch die Versicherung schuldhaft nicht rechtzeitig beglichen wird, in Vorkasse gehen. Hierfür leihen Sie sich verzinst Geld. Die zusätzlichen Zinsen sind in diesem Fall ein Verzugsschaden, den auch die Versicherung zu tragen hat.
Bevor Sie die höheren Kosten gegenüber der Versicherung versuchen geltend zu machen, sollten Sie die Versicherung hinsichtlich der Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens nach § 254 Abs. 2 S.1 BGB aufmerksam machen. Unterlassen Sie dies, kann unter Umständen Ihr Schadensersatzanspruch gemindert werden.
Insgesamt ist es aber wegen der Einzelfallbewertung relativ schwer, die Versicherung wirksam in Verzug zu setzen.
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Versicherung zahlt nicht, weil Unfallgegner nicht kooperiert
Unter Umständen kommt die Haftpflichtversicherung nicht mit der Schadensregulierung voran, weil Ihr Unfallgegner selber es unterlässt, nötige Unterlagen bei seiner Versicherung einzureichen.
Dies gehört zunächst zur Risikosphäre der gegnerischen Versicherung: Sie muss trotzdem alles ihr Mögliche tun, um Ihren Schadensersatzanspruch möglichst schnell und effektiv auszuzahlen. Fehler, die der Unfallgegner gegenüber seiner Haftpflichtversicherung macht, müssen auch in dem Verhältnis „Unfallgegner – Haftpflichtversicherung“ geklärt werden. Unter Umständen muss der Unfallgegner dann gegenüber seiner eigenen Haftpflichtversicherung haften, wenn er beispielsweise bewusst falsche Angaben macht oder die Schuld widerrechtlich abstreitet.
Schmerzensgeld bei Verschleppung der Unfallsregulierung
Im Extremfall können sich einzelne Positionen des Schadensersatzanspruchs erhöhen, wenn die Versicherung schuldhaft die Unfallsregulierung verschleppt.
Die Rechtsprechung hat entschieden, dass bei einer verschuldeten und nicht nachvollziehbaren Unfallregulierungsverzögerung sich ein zu zahlendes Schmerzensgeld erhöhen kann. Dies stellt eine weitere finanzielle Motivation für die Versicherung dar, den Unfall rechtzeitig zu regulieren (vgl. OLG München, 09.10.2009; OLG Frankfurt, 07.01.1999; OLG Nürnberg, 11.07.1995; LG Gera 06.05.2009; LG Berlin, 06.12.2005). Dies gilt auch dann, wenn Ihr Unfallgegner es unterlässt, vollständige Angaben zu dem Unfallhergang zu machen.
Fazit
Warten kann zwar zäh sein. Trotzdem sollte man versuchen, Druck auf die gegnerische Versicherung auszuüben, insbesondere wenn eine Frist von vier bis sechs Wochen verstrichen ist.