Nachträglich zum Arzt für Schmerzensgeld?

Arztberichte dokumentieren Verletzungen

Nach einer Verletzung, z.B. nach einem Verkehrsunfall oder Hundebiss, ist der Gang zum Arzt fast immer unausweichlich, um die Verletzungen ärztlich versorgen zu lassen.

Sind die Verletzungen geringerer Natur, so ist es menschlich, einen Arztbesuch nach Möglichkeit zu vermeiden. Dass hierunter ein entsprechender Schmerzensgeldanspruch gegen den Schädiger leiden kann, fällt dann erst später auf.

Denn die gegnerische Versicherung oder der Gegner selber werden vorbringen, dass die Verletzungen wohl nicht allzu schlimm gewesen sein können, wenn Sie noch nicht einmal bei einem Arzt waren. Damit stellt sich die Frage: Sollte man für das Schmerzensgeld auch noch nachträglich zum Arzt gehen?

Es muss differenziert werden, ob

  1. die Verletzung erst nach einiger Zeit nach dem Unfallereignis auftreten und Sie sodann sofort einen Arzt aufsuchen oder
  2. der Unfall und die Verletzungen bereits einige Zeit zurückliegen.

Schmerzensgeld bei später auftretenden Beschwerden

Auch wenn ein Schädigungsvorgang schon einige Zeit zurück liegt, können (und sollten) Sie trotzdem noch einen Arzt aufsuchen, wenn Sie weiterhin unter Beschwerden leiden. Denn manche Verletzungen, die einem auf den ersten Blick nicht besonders gravierend erscheinen, können einige Zeit später das eigene Wohlbefinden noch maßgeblich einschränken. Die Klassiker unter diesen langwierigen Verletzungen sind die HWS-Distorsion und der Bänderriss.

Bei einer HWS Distorsion kann das sich körperliche Wohlbefinden mit der Zeit immer weiter verschlechtern. So gibt es Fälle, in denen kurz nach einem Unfall eine Übelkeit auftrat oder massive Kopfschmerzen über Wochen anhielten. Selbst wenn man meint, bei einem Autounfall nicht verletzt worden zu sein, lohnt sich der Gang zum Arzt immer.

Bei einem Bänderriss oder Bänderanriss merkt man zwar deutlich die Schwellung des entsprechenden Gelenkes, hält diese aber für zu „geringfügig“, als dass damit ein Arzt aufgesucht werden sollte. Wenn Bänder aber angerissen oder gerissen sind, kann das entsprechende Gelenk dann instabil werden. Als Folge knickt man dann in der nächsten Zeit noch häufiger um. Bänderrisse sind typische Sturz- oder Umknickverletzungen, die beispielsweise durch einen Fahrradunfall hervorgerufen werden.

Grundsätzlich lässt sich aber keine vollständige Liste aller Verletzungen erstellen, die im Regelfall auch später sich erst bemerkbar machen können.

Die Verletzungen bzw. Verletzungssymptome treten typischerweise erst verzögert zum Schadenereignis auf. Deshalb ist es auch nicht verspätet, unmittelbar nach den auftretenden Beschwerden zum Arzt zu gehen, selbst wenn das Unfallereignis bereits einige Tage / Wochen zurückliegt

Arztbesuchen nach Tagen / Wochen für Schmerzensgeld sinnvoll?

Selbst wenn ein Schädigungsereignis schon einige Zeit zurück liegt, kann der Arzt dessen Spuren am Körper feststellen. Narbenbildung von Tierbissen oder unverheilte Bänder sind natürlich leicht erkennbar. Jedoch wird der Nachweis mit Zeitablauf deutlich erschwert.

Allerdings kann der Arzt nur noch das bisher nicht verheilte Verletzungsbild feststellen. 

Hauptproblem ist jedoch die Kausalität der späteren, ärztlichen Feststellungen zum Schadenereignis (Unfall), für das der Unfallverursacher nun ein Schmerzensgeld zahlen soll. 

Liegt zwischen dem Unfall und dem Arztbesuch ein längerer Zeitraum, wird die gegnerische Versicherung einwenden, dass die festgestellte Verletzung nicht mehr auf das Unfallereignis zurückzuführen ist und deshalb die Körperverletzung nicht bewiesen ist.

Wenn der vorgetragene Sachverhalt grundsätzlich plausibel ist und er es
wahrscheinlich erscheinen lässt, dass die diagnostizierte Verletzung auf den Unfall zurückzuführen ist und die Feststellung der Verletzungen in einem engen, zeitlichen Zusammenhang erfolgte, kann mit so hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Verletzungssymptomatik auf das Unfallereignis zurückzuführen ist, dass es den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. nur AG Erkelenz, Urteil vom 08.05.2002).

Hierfür ist jedoch gewisser zeitlicher Zusammenhang zu wahren. Ob dieser noch vorliegt oder schon durchbrochen ist, muss im Einzelfall genau geprüft werden. Deshalb sollten Sie stets so schnell wie möglich Ihre Verletzungen ärztlich dokumentieren lassen. 

Kann ich ein Schmerzensgeld auch vollständig ohne Arztbesuch erhalten?

Grundsätzlich ja. Aber es wird schwieriger.

Im Zivilrecht gilt, dass Sie selber beweisen müssen, dass Verletzungen vorliegen, und wie schwer diese ausgefallen sind. Dabei können Sie sich verschiedener „Beweismittel“ bedienen.

Hierzu gehören neben einem Arztbericht auch ein

Die Beweismittel unterscheiden sich jedoch in der objektiven Beweiskraft: Die unabhängige Aussage eines Arztes, dass eine Verletzung vorliegt, hat natürlich ein anderes Gewicht als das von Ihnen selber ausgefüllte Schmerztagebuch.

Dabei können auch Arztberichte von geringerer Beweiskraft sein. Der Arzt hat bei der Heilbehandlung vorrangig therapeutische Aspekte im Blick. Ziel der Behandlung ist es, dass die Verletzungen und Beschwerden bestmöglich versorgt werden. Subjektiv beklagte Beschwerden werden zum Beispiel genauso ernst genommen wie objektivierbare, also z.B. mit Röntgen nachweisbare Verletzungen.

Für Ihren Schmerzensgeldanspruch ist jedoch eine gutachterliche Stellungnahme erforderlich. Hier kommt es darauf an, (nur) die Verletzungen festzustellen, die auch tatsächlich gegeben sind. Dies ist insbesondere bei HWS-Zerrungen hochproblematisch. Vielfach vertraut der Arzt hier nur auf die Angaben des Patienten. 

Sie sollten deshalb stets um einen ausführlichen Arztbericht bitten, um Ihre Verletzungen nach einem Autounfall, Fahrradunfall oder sonstigen Verletzungsfall genau zu dokumentieren.

Die Versicherung zahlt kein Schmerzensgeld ohne Arztbericht 

Der Worst-Case: Die gegnerische Versicherung meint, Ihnen nur einen Bruchteil Ihres eigentlich geforderten Anspruchs zahlen zu müssen, da Sie nicht bei einem Arzt waren.

Hier ist ganz klar und deutlich zu sagen: Es steht immer in Ihrem eigenen Ermessen, ob Sie zu einem Arzt gehen. Allein aus diesem Umstand kann kein niedrigeres Schmerzensgeld abgeleitet werden. Jedoch spricht eine gewisse Vermutung dafür, dass die Verletzung jedenfalls nicht außerordentlich schwerwiegend war – denn sonst hätten Sie eine ärztliche Behandlung benötigt.

Fazit:

Um Ihr Schmerzensgeld bestmöglich durchsetzen zu können und ein maximales Schmerzensgeld erreichen können, sollten Sie nach einem Unfall möglichst umgehend einen Arzt aufsuchen, der Ihre Verletzungen sehr genau dokumentiert.

Im Falle von HWS-Distorsionen sollte zudem stets eine röntgenologische Untersuchung vorgenommen werden, um Ihre Nacken- und Rückenschmerzen objektivieren zu können. 

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