Fahrradunfall: Schadenersatz für Reparatur nach Fahrradunfall erhalten

Ansprüche nach Fahrradunfall

Für viele Fahrradfahrer ist ein Fahrrad neben einer sportlichen Freizeitaktivität auch ein nicht einwegzudenkendes Fortbewegungsmittel im Alltag.

Nach einem Fahrradunfall, bei dem das Fahrrad beschädigt oder zerstört wurde, stellt sich dann vor allem die Frage, wie man Ersatz für den Schaden am Fahrrad bekommen kann und wer dafür aufzukommen hat.

Das Zivilrecht definiert einen Schaden als „,unfreiwillige Vermögenseinbuße“ und berechnet ihn nach der Differenzhypothese. Was auf den ersten Blick wie ziemliches Kauderwelsch klingt, ist eigentlich sehr simpel erklärt. Wenn jemand durch eine Handlung oder durch das Unterlassen einer Handlung etwas beschädigt, dann muss er dies so ausgleichen, als wäre dieses Ereignis nicht vorgefallen. Das bedeutet entweder, dass

  1. der alte Zustand wiederhergestellt werden muss oder
  2. dass ein Ausgleich in Geld zu zahlen ist. 

Wirtschaftlicher Totalschaden

Unter einem wirtschaftlichen Totalschaden versteht man, dass zwar eine Reparatur des Fahrrads möglich ist, aber sich das wirtschaftlich nicht mehr lohnt.

Zur Verbildlichung: Das Rad hat vor 10 Jahren 1.500,00 € in der Anschaffung gekostet, aber durch  Zeit und Abnutzung zum Zeitpunkt des Unfalls nur 150,00 € wert. Nach dem Unfall dann der absolute Worst-Case: Es bleibt nur der Materialwert in Höhe von 10,00€. Eine Reparatur des Rades würde jedoch bereits 200,00 € kosten. 

Was kann also von dem Schädiger oder seiner Versicherung gefordert werden?

  • Die 140,00€ Differenz zwischen dem kaputten Fahrrad und dem Fahrradwert vor dem Unfall,
  • 150,00 € für ein Ersatzfahrrad, das dem alten Fahrrad der Qualität nach entspricht (Zeitwert), oder
  • die 200 € Reparaturkosten?

Die Antwort: Die Differenz, der sogenannte Wiederbeschaffungsaufwand, muss gezahlt werden!  Denn bei der Abwicklung eines Schädigers gilt, dass der Schädiger zwar den Schaden an Ihrem Fahrrad nach einem Fahrradunfall ersetzen muss, damit Sie nicht schlechter stehen, umgekehrt gilt aber die Schadenminderungspflicht. Die Schadenabwicklung soll nicht mehr Kosten als notwendig für den Schädiger verursachen. In unserem Beispiel muss Schädiger Ihnen nur 140,00 € für das beschädigte Fahrrad zahlen, zzgl. zum Restwert i.H.v. 10,00 € können Sie so ein vergleichbares Fahrrad zum Zeitwert erwerben.

 

Ausnahme: die 130% Regelung

Bei Autounfällen hat die Rechtsprechung entschieden, dass man die Reparaturkosten verlangen kann, wenn sie nicht 130 % des Wiederbeschaffungswertes überschreiten. Wiederbeschaffungswert ist dabei der Wert, der eine Ersatzbeschaffung des Fahrzeuges mit gleicher Qualität entspricht. Im oben genannten Beispiel wären dies 150,00 €.

Dies bedeutet, dass der Gegner die Reparaturkosten zahlen muss, wenn diese nicht mehr als 195,00 € betragen. (150,00 € x 130 %) Betragen die Reparaturkosten mehr als 195,00 €, müssen nicht die Reparaturkosten, sondern nur der Wiederbeschaffungsaufwand ersetzt werden, also 140,00 €. Hiervon wird dann noch der Restwert des alten Autos abgezogen. 

Hierbei berücksichtigt die Rechtsprechung ein gewisses „ideelles Interesse“ am jeweiligen Gegenstand. Eigentlich könnte der Schaden bereits günstiger behoben werden. Trotzdem gesteht die Rechtsprechung hier eine Überschreitung von bis zu 30% zu. 

Ob die Rechtsprechung zu den 130 % bei Reparaturen von einem Kfz auch auf Fahrräder übertragen werden kann, hat die Rechtsprechung mittlerweile ausdrücklich geklärt: Das OLG München hat klar geurteilt, dass diese Rechtsprechung auf Fahrräder übertragbar ist. OLG München, Endurteil v. 16.11.2018 – 10 U 1885/18.

Kostenvoranschlag

Das Wissen, dass man einen Schadensersatzanspruch gegen den Unfallgegner oder die gegnerische Versicherung hat, bringt nicht viel, wenn man nicht weiß, wie hoch dieser denn sein soll. Wie dargestellt, hängt hiervon nämlich ab, ob 

  • ein Ersatzfahrrad angeschafft werden muss oder 
  • das Fahrrad noch repartiert werden kann.

Um die Reparaturkosten feststellen zu lassen, muss man daher bei einer Fahrradwerkstatt, wie bei einer Autowerkstatt nach einem Autounfall, einen Kostenvoranschlag einholen. Das mindert die Gefahr, dass man erst in Vorkasse geht, und dann später sich mit dem Gegner oder dessen Versicherung über die Höhe der Reparaturkosten auseinandersetzen muss und auf den Kosten sitzen bleibt.

Die gegnerische Versicherung wird regelmäßig erst einen Kostenvoranschlag fordern, bevor sie Ihre Schadenersatzansprüche begleicht. Der Fahrradbesitzer hat dabei das Recht, einen Sachverständigen mit der Begutachtung des Fahrrades zu beauftragen und ein hieraus stammendes Gutachten als Kalkulationsgrundlage für den Schadensersatz zu nutzen. Ein von der Versicherung vorgeschlagener Gutachter muss nicht genutzt werden.

 

Reparatur wird teurer als Kostenvoranschlag

Es besteht immer das Risiko, dass eine Reparatur am Ende teurer wird als der Kostenvoranschlag vorhergesagt wird. Doch wer muss dieses Risiko tragen? Grundsätzlich gilt, dass der Gegner das so genannte Prognoserisiko tragen muss. Eine Ausnahme bildet der Fall, dass die Reparaturwerkstatt auch den Kostenvoranschlag berechnet hat. In diesem Fall kann sich die Werkstatt nicht an den Versicherer wenden, sondern muss für diesen Irrtum selbst aufkommen.

 

Fahrradreparatur über 130 % und Selbstbeteiligung?

Grundsätzlich ist es nicht möglich, sich 130 % des Wiederbeschaffungswertes auszahlen zu lassen und gleichzeitig den Restbetrag selbst zu tragen. Sobald die Reparaturkosten über 130% liegen, wird nur der Wiederbeschaffungsaufwand gezahlt. Dies hat die Rechtsprechung höchstrichterlich festgelegt.  (vgl. BGH, Urteile vom 15.10.1991, AZ: VI ZR 67/91 und vom 08.12.2009, AZ: VI ZR 119/09).

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Abzug „Neu für Alt“

In manchen Fällen muss nach der Schadensabwicklung noch ein Vorteilsausgleich vorgenommen werden. Besondere Bedeutung hat hierbei der „Neu für Alt Abzug“. Dieser ist Ausdruck des schadensrechtlichen Grundsatzes, dass der Geschädigte zwar so gestellt werden soll, wie er ohne das schädigende Ereignis stände, aber eben nicht besser.

Um dies erneut zu verbildlichen: Wenn nach dem Fahrradunfall eine (gebrauchte) Ersatzbeschaffung  nicht möglich oder nicht zumutbar ist, weil auf dem Markt kein vergleichbares Objekt zu finden ist, muss unter Umständen eine Neuanschaffung vorgenommen werden.

Musste man sich beispielsweise einen neuen Helm anschaffen, weil der alte Helm bei dem Fahrradunfall zu Bruch gegangen ist, ist es häufig aufgrund der Sicherheit unzumutbar, einen gebrauchten Helm anzuschaffen. 

In diesem Fall kann man die Neuanschaffung als Schaden zwar geltend machen, muss sich als Geschädigter aber anrechnen lassen, dass man hierdurch ja etwas „Wertvolleres“, nämlich einen neuen Helm, erlangt hat.

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