Nach einer Körperverletzung stellt sich häufig die Frage, ob man den Schädiger anzeigen soll, um Schmerzensgeld zu erhalten. Wir erklären es Ihnen!
Grundsatz: Anzeige für Schmerzensgeld nicht erforderlich
Eigentlich erscheint es ganz leicht: Wenn man von einer anderen Person verletzt wurde, kann man von ihr die Zahlung eines Schmerzensgeldes verlangen. Dies soll dem ,„Ausgleich der immateriellen Schäden dienen“, also solchen Schäden, die nicht durch Geld rückgängig gemacht werden können. Das Schmerzensgeld besitzt eine „Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion“ für die erlittenen Schmerzen und Verletzungen.
So sagt zum Beispiel die Rechtsprechung, dass das Schmerzensgeld die Unannehmlichkeiten ausgleichen soll, die man durch eine Verletzung und dem anschließenden Heilungsprozess erlitten hat, also Schmerzen die man aushalten musste, aber auch Zeit die man bei einem Arzt bei der Behandlung aufgewendet hat.
Wurde man von einem anderen fahrlässig oder vorsätzlich verletzt, kann der Schädiger gem. § 223 StGB wegen vorsätzlicher Körperverletzung bzw. nach § 229 StGB wegen fahrlässiger Körperverletzung bestraft werden.
Hier spricht der Gesetzestext von ,,Geldstrafen“. Jedoch ist zu beachten, dass diese nicht an das Opfer, sondern an den Staat gezahlt werden müssen. Wird jemand wegen einer Körperverletzung zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt, dann muss er diese an den Justizhaushalt des Bundeslandes, in dem er verurteilt wurde, zahlen.
Grundsätzlich gilt: Es braucht keine Anzeige bei der Polizei, um einen zivilrechtlichen Anspruch gegen jemanden (oder dessen Versicherung) geltend zu machen!
Denn das Strafrecht regelt nicht das Verhältnis von Opfer zu Täter, sondern das Verhältnis von Staat und Täter.
TIPP: Lesen Sie hier, was Sie tun können, um ein maximal hohes Schmerzensgeld zu erhalten!
Vorteile einer strafrechtlichen Verfolgung
Trotzdem gibt Aspekte, die das strafrechtliche Verfahren mit dem zivilrechtlichen Verfahren verbinden können und bei denen ein strafrechtliches Verfahren einen Vorteil für den Geschädigten bedeutet. Hierfür ist es wichtig, sich die Grundzüge der Strafverfolgung bei Unfällen näher anzugucken.
Möchte man, dass der Unfall strafrechtlich aufgearbeitet wird, kann eine Anzeige bzw. der Strafantrag beim Durchsetzen eines zivilrechtlichen Anspruchs helfen. Denn wenn jemand bereits wegen der Begehung einer Straftat verurteilt wurde, dann hat dies auch eine Beweiswirkung für das Bestehen eines Anspruchs auf Schmerzensgeld! Man spricht in diesem Fall von der „Präjudiz-Wirkung“ eines Urteils. Und während des Strafverfahrens, insbesondere während der Ermittlung durch die Polizei, kann untersucht werden, ob eine Person schuldhaft für eine Verletzung verantwortlich ist.
Strafantrag bei Körperverletzung
In manchen Fällen muss man für eine Strafverfolgung einen Strafantrag stellen. Für fahrlässige oder einfache vorsätzliche Körperverletzung muss grundsätzlich ein Strafantrag nach § 230 StGB durch das Opfer oder, falls dieses verstorben ist, durch dessen Erben, nach § 77 StGB gestellt werden.
Bei anderen Delikten, wie zum Beispiel einer schweren Körperverletzung nach § 226 StGB, ermittelt die Staatsanwaltschaft von Amts wegen, also unabhängig von einem Strafantrag.
Bei der fahrlässigen Körperverletzung bzw. einfachen vorsätzlichen Körperverletzung spricht man von einem „,relativen Antragsdelikt“ gem. § 230 StGB. Das bedeutet, dass entweder die Staatsanwaltschaft ermittelt, weil ein Strafantrag gestellt wurde, oder weil die Staatsanwaltschaft davon ausgeht, dass ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht.
Das besondere öffentliche Interesse ist näher in der RistBV (Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren) konkretisiert. In Art. 234 Abs. 1 S. 1 RistBV heißt es:
Ein besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung von Körperverletzungen (§ 230 Abs. 1 Satz 1 StGB) wird namentlich dann anzunehmen sein, wenn der Täter einschlägig vorbestraft ist, roh oder besonders leichtfertig oder aus rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Beweggründen gehandelt hat, durch die Tat eine erhebliche Verletzung verursacht wurde oder dem Opfer wegen seiner persönlichen Beziehung zum Täter nicht zugemutet werden kann, Strafantrag zu stellen, und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeineit ist.
Anders als bei einer reinen Strafanzeige bringt man mit einem Strafantrag zum Ausdruck, dass man als Geschädigter will, dass eine strafrechtliche Verfolgung der Körperverletzung erfolgt. Deshalb ist ein Strafantrag auch nur vollständig, wenn er unterzeichnet wurde. Wurde er nicht unterzeichnet, wird die Staatsanwaltschaft bei fehlendem besonderen öffentlichem Interesse nicht tätig und verweist auf den Privatklageweg.
Der Strafantrag ist dabei an eine zeitliche Komponente gebunden:
Anders als bei der Verjährung einer Straftat gilt hier, dass ein Strafantrag innerhalb von drei Monaten nach der Körperverletzung eingereicht werden muss. Darüber hinaus muss man beachten, dass man einen Strafantrag auch wieder zurückziehen kann, wie § 77d StGB normiert. Jedoch kann man sich danach nicht mehr umentscheiden, und einen Strafantrag nach einer Rücknahme nochmal stellen. Die Rücknahme ist unwiderruflich.
Einstellung der Anzeige gegen Schmerzensgeld
Ereignet sich ein Unfall im Straßenverkehr steigt, die Wahrscheinlichkeit, dass die Staatsanwaltschaft selber von Amts wegen ermitteln wird.
Denn häufig geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass bei der Verfolgung von Verkehrsdelikten die hohe Bedeutung der Regelkonformität im Straßenverkehr ein besonderes öffentliches Interesse begründet. Der Straßenverkehr funktioniert nur dann sicher, wenn sich alle Verkehrsteilnehmer an die Straßenverkehrsregeln halten. Deshalb sei die Sanktionierung von Straßenverkehrsverstößen grundsätzlich im Interesse der Allgemeinheit.
Das Verfahren kann dann erst eingestellt werden, wenn zum Beispiel nach § 153a StPO das öffentliche Interesse dadurch entfällt, dass anstelle einer Strafe eine Auflage oder Weisung erfüllt wird.
Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,
1. zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
2. einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
3. sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
4. Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
5. sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,
6. an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder
7. an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
Und hier kann eine Strafanzeige im Hinblick auf Ihr Schmerzensgeld sinnvoll sein. Auf Ihre Anzeige hin ermöglicht die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten, dass das Verfahren gegen Zahlung eines Geldbetrages eingestellt wird. Dabei werden häufig sachnahe, gemeinnützige Einrichtungen (Weißer Ring, Opferhilfen etc.) als Empfänger, aber eben auch Sie als Geschädigter bestimmt.
Die Staatsanwaltschaft gibt dann einen Geldbetrag vor, der innerhalb einer Frist von sechs Monaten geleistet werden muss. Sollte der Beschuldigte diese Zahlung nicht leisten, kommt es zwingend zur Anklage.
Damit wird von der Zahlung des Schmerzensgeldes der Fortgang Ihrer Strafanzeige abhängig gemacht, was ein effektives Druckmittel sein kann, wenn sich der Schädiger ansonsten uneinsichtig gezeigt hat.
Es kommt zur Anklage: das Adhäsionsverfahren
Wenn das auf Ihre Anzeige hin eingeleitete Ermittlungsverfahren nicht eingestellt wird, kommt es zu einem Strafbefehl – einem „schriftlichen Verurteilung“ – oder zur Anklage. Wenn die Anklage der Staatsanwaltschaft zugelassen worden ist, kommt es zu einer Hauptverhandlung, in der Sie als Zeuge und Geschädigter befragt werden, der Anklagte die Gelegenheit hat, seine Sicht der Dinge darzustellen und – soweit vorhanden – andere Zeugen oder Beweismittel herangezogen werden.
Bei der gerichtlichen Aufarbeitung der Körperverletzung haben Sie die Möglichkeit, Ihre Schmerzengseldansprüche im Adhäsionsverfahren gem. § 403 StPO anzumelden.
§ 403 StPO lautet:
Der Verletzte oder sein Erbe kann gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht anderweit gerichtlich anhängig gemacht ist, im Strafverfahren geltend machen, im Verfahren vor dem Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes.
Damit können im Strafverfahren Ihre zivilrechtlichen Ansprüche (Schmerzensgeld und Schadenersatz) geltend gemacht werden. Das Adhäsionsverfahren nennt man auch „2-in-1-Verfahren„, weil in einem gerichtlichen Strafverfahren sowohl über die Schuld des Täters als auch u.a. über Ihr Schmerzensgeld gerichtlich entschieden wird.
Der Vorteil für Sie als Geschädigter: Sie müssen nicht noch ein zweites Gerichtsverfahren gegen den Schädiger anstrengen, um ein Urteil für Ihr Schmerzensgeld zu erhalten. So sparen Sie Gerichts- und Prozesskosten und ein zusätzlich, langwieriges Zivilverfahren.
Nachteile einer Anzeige für Schmerzensgeld
Der entscheidende Nachteil, wenn Sie sich für Ihr Schmerzensgeld alleinig auf Ihre Anzeige und das strafrechtliche Ermittlungsverfahren verlassen: die Dauer des Verfahrens.
Ein Strafverfahren von Ihrer Anzeige bis zur rechtskräftigen Verurteilung dauert ohne Probleme 1,5 – 2 Jahre. Häufig sind Geschädigte entnervt und wollen nur noch einen „Schlussstrich“ ziehen.
Sie sollten Ihr Schmerzensgeld deshalb immer versuchen, unabhängig von einer Anzeige geltend machen. In den meisten Fällen tritt eine Haftpflichtversicherung ein, die – mit professioneller Unterstützung an Ihrer Seite – dazu bewegt werden kann, das Schmerzensgeld innerhalb von 5-8 Wochen auszuzahlen, häufig sogar schneller.
Zusammenfassung
Sie müssen keine Anzeige für ein Schmerzensgeld erstatten, es kann jedoch hilfreich sein, um streitige Sachverhalte aufzuklären. Das strafrechtliche Verfahren ist von Ihrem zivilrechtlichen Anspruch auf Schmerzensgeld unabhängig.
Wir betreuen umfassend Schmerzensgeldmandate, von Verkehrsunfällen, Fahrradunfällen und Hundebissen. Über alle Unfallarten hinaus können wir Ihnen nur dringend empfehlen, Ihr Schmerzensgeld nicht selbst versuchen, mit dem Schädiger oder der gegnerischen Versicherung abzuwickeln. Sie verlieren dabei zumeist viele hundert Euro Schmerzensgeld!