Die meisten Verbraucher wissen, dass Ihnen nach einem Unfall mit einer Verletzung ein Schmerzensgeld zusteht. Das Schmerzensgeld ist in § 253 Abs. 2 BGB verankert:
Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
Es handelt sich dabei nicht um den Ersatz von Heilbehandlungskosten, sondern um eine Ausgleichs- und Genugtuungszahlung, die zusätzlich gefordert werden kann. Dies ist seit 1955 ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
Neben dem Schmerzensgeld für eine Gesundheitsbeeinträchtigung gibt es aber auch ein Schmerzensgeld nach einer Beleidigung. Im Folgenden erklären wir Ihnen, was Sie bezüglich eines Schmerzensgeldes nach einer Beleidigung wissen müssen.
Wann liegt eine Beleidigung vor?
Unter einer Beleidigung versteht man die Verletzung des persönlichen Ehranspruchs eines jeden Menschen, die durch eine Kundgebung der eigenen Missachtung / Nichtachtung der anderen Person erfolgt.
Dabei werden aber nicht nur verbale Entgleisungen, sondern auch bestimmte Tätigkeit erfasst: Neben dem erhobenen Mittelfinger, der nonverbal die Verachtung ausdrücken soll, liegt auch bei Anspucken eine Beleidigung vor. 2015 entschied zwar der BGH dass das Anspucken keine Körperverletzung nach § 223 StGB darstellt, selbst wenn es Ekel auslöst. Eine Strafbarkeit ergibt sich aber immer aus § 185 StGB, nämlich dem Straftatbestand der Beleidigung.
Wann eine rechtlich sanktionierbare Beleidigung vorliegt, hängt stark vom Kontext und den Umständen ab, in denen die Beleidigung ausgesprochen worden ist. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts betont dabei stets die wichtige Meinungsfreiheit gem. Art. 5 GG, die in der Demokratie unverzichtbar ist. Deshalb müssen unter Umständen auch als beleidigend empfundene Aussagen ausgehalten werden.
Was ist die Anspruchsgrundlage für ein Schmerzensgeld nach Beleidigung?
Grundsätzlich sind hinsichtlich eines Schmerzensgeldes bei einer Beleidigung zwei Anspruchsgrundlagen denkbar: § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1, 2 GG, § 1004 BGB analog:
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Aus dem ersten und dem zweiten Artikel des Grundgesetzes lässt sich das allgemeine Persönlichkeitsrecht, welches auch den Achtungsanspruch eines Menschen gegenüber jedem anderen Menschen erfasst, herauslesen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH hat man einen
„Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab.“
Dies bedeutet:
Es muss ein schwerer Eingriff vorliegen
Es genügt beispielsweise nicht, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer Sie Doofkopf nennt. Vielmehr muss es sich um einen gezielten, Sie in unsittlicher Weise verschmähenden Wortlaut handeln. Es ist auch nicht ausreichend, wenn bestimmte Bezeichnungen verwendet werden, denen eine negative Betitelung anhaftet, die aber objektiv keine Herabwürdigung enthalten. Die Bezeichnung eines Polizisten als „Oberförster“ ist nicht objektiv herabwürdigend.
Die Beeinträchtigung darf nicht anders befriedigend aufgefangen werden können
Der BGH nahm beispielsweise im Jahr 2015 an, dass ein Schmerzensgeld wegen Beleidigung nicht gezahlt werden muss, wenn der Beleidiger bereits durch ein Unterlassensurteil ein Ordnungsgeld bei einer erneuten Beleidigung zahlen muss.
Einzelfallschwere
Aus den Gesamtumständen muss sich gerade die Schwere des Eingriffs in Ihr Persönlichkeitsrecht ergeben. Hierzu zählt unter anderen, wie viele Personen von dem Angriff auf Ihren Achtungsanspruch mitbekommen konnten oder ob z.B. ein Streit der Beleidigung vorausgegangen ist. Innerhalb eines Wortgefechts kann es durchaus vorkommen, dass aus Rage heraus derbere Wörter benutzt werden.
Beispiel: Der BGH lehnte 2017 die Zahlung eines Schmerzensgeldes aufgrund einer Beleidigung in einer E-Mail („Dummes Arschloch“) ab, da der Beleidigte zuvor „seine tiefe Genugtuung über dessen schwerwiegende und lebensbedrohliche Krebserkrankung äußerte und ihn somit herabwürdigte, jemand zu sein, der Qualen und den Tod verdient habe.“ BGH, Urteil vom 14. November 2017 – VI ZR 534/15 –
Exkurs: Bespucken
Das Bespucken stellt einen besonders schweren Fall der Beleidigung regelmäßig dar. Hier kann argumentiert werden, dass durch den ausgelösten Ekel und die damit verbundene körperliche Reaktion im Regelfall ein Schmerzensgeld gefordert werden kann.
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Wie viel Schmerzensgeld kann ich verlangen?
Dies kommt natürlich auf den Einzelfall an. Der prominenteste Fall der letzten Jahre wird wohl die Aussage des AFD-Abgeordneten Maiers gegenüber dem Sohn von Boris Becker gewesen sein. Aus Pietätsgründen wird auf eine Wiederholung des Wortlauts hier verzichtet. Herr Maier musste ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.500,00 € nach einem Vergleich zahlen. Das LG Berlin urteile zuerst sogar 15.000,00 € Schmerzensgeld aus (LG Berlin, 15.01.2019).
Im Regelfall werden zwischen
- 109,64 € (AG Bremen, 29.03.2012, „Schlampe“ nach wechselseitiger Provokation) über
- 395,40 € (AG Schwedt/Oder, 23.10.2002, „Alte Fotze“) bis zu
- 822,30 € (LG Konstanz, 21.05.2012, massive Beleidigungen mit Begriffen wie Arschlöcher, Wichser, dumme Hurensöhne etc. sowie dem Zeigen des sogenannten „Stinkefingers“)
für „geläufige“ Beleidigungen gezahlt.
Für das Bespucken sprachen die Richter des Amtsgerichts Meppen ein Schmerzensgeld in Höhe von 626,97 € zu (AG Meppen, 25.02.2004).
Wie sich aus dieser Schnittmenge der Urteile ergibt, wird das Schmerzensgeld immer fallabhängig zuerkannt. Hier gilt wie bei jedem anderen Schmerzensgeldanspruch auch, dass die Anspruchshöhe sich aus der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion ergibt.
Gegen wen habe ich diesen Anspruch?
Bei gewöhnlichen Körperverletzungen, die fahrlässig hervorgerufen worden sind, wie nach einem Autounfall oder einem Hundebiss, haftet neben dem Verursacher der Schäden grundsätzlich auch dessen Haftpflichtversicherung, insoweit eine Haftpflichtversicherung besteht. Im Regelfall wird nach einer Beleidigung aber keine Versicherung zahlen, denn:
Eine Beleidung wird vorsätzlich vorgenommen. Die meisten Versicherungen schließen in ihrem Versicherungsvertrag aber die Haftung für vorsätzliche Schadensverursachungen aus, sodass Sie Ihre Ansprüche auf Schmerzensgeld gegen den unmittelbaren Verursacher durchsetzen müssen.