Wenn Ihr Fahrzeug nach einem Verkehrsunfall nicht mehr fahrtüchtig bzw. verkehrssicher ist und Sie dieses deshalb nicht mehr fahren können, haben Sie zwei Optionen:
- Für den Nutzungsausfallzeitraum können Sie einen Mietwagen nutzen
- Sie erhalten eine tägliche Nutzungsausfallentschädigung
Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass derjenige, der auf sein Fahrzeug verzichtet, obwohl er ein gutes Recht auf einen Mietwagen hätte, nicht „in die Tasche des Schädigers“ sparen soll. Die Nutzung des Fahrzeuges stellt einen vermögenswertes Gut dar, denn die Verfügbarkeit kann innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens geeignet sein, Zeit und Kraft zu sparen. (BGH, Urteil vom 30. September 1963 – III ZR 137/62)
Was weniger Verkehrsteilnehmer wissen: Auch für Fahrräder und E-Bikes kann der Nutzungsausfall geltend gemacht werden. Voraussetzung ist jedoch immer, dass sowohl eine Nutzungsmöglichkeit als auch ein Nutzungswille bestehen. Wenn Sie beispielsweise Ihren PKW oder Ihr Fahrrad in diesem Zeitraum ohnehin nicht genutzt hätten, ist der Verzicht auf den PKW oder Fahrrad auch gar nicht spürbar.
Doch wie sieht das bei Motorrädern aus? Diese Frage wurde höchstrichterlich geklärt: Auch bei einem Unfall mit einem Motorrad kann prinzipiell ein Ersatzmotorrad angemietet werden, beziehungsweise ein Nutzungsausfall gegen den Unfallgegner durchgesetzt werden. Hierbei muss jedoch differenziert werden:
Nutzungsausfall bei Hobby-Motorradfahrern
Wenn das Motorrad nicht das Hauptfortbewegungsmittel für den Geschädigten ist, sondern nur dem Freizeitvergnügen dient, kann kein Nutzungsausfall geltend gemacht werden. Denn für den Nutzungsausfallsersatz muss grundsätzlich bewiesen werden, dass es sich bei dem Fahrzeug, egal ob Auto, Fahrrad oder Motorrad, um einen Gegenstand handeln muss, dessen Nutzung wirtschaftlich gesehen einen Vermögensvorteil darstellt. Der BGH entschied dabei bereits im Jahr 2011 hinsichtlich des Motorrades:
„Danach kommt Nutzungsersatz nur für einen der vermögensmehrenden, erwerbswirtschaftlichen Verwendung des Wirtschaftsgutes vergleichbaren eigenwirtschaftlichen, vermögensmäßig erfassbaren Einsatz der betreffenden Sache in Betracht. Anders als bei einem für den alltäglichen Gebrauch vorgesehenen Pkw ist die jederzeitige Benutzbarkeit des Motorrades für den Kläger nach seinem eigenen Vortrag zwar ein die Lebensqualität erhöhender Vorteil, der jedoch keinen ersatzfähigen materiellen Wert darstellt. Die Wertschätzung des Motorrads stützt der Kläger, der auch über einen Pkw verfügt, außer auf den Gesichtspunkt der Mobilität nämlich vor allem darauf, dass das Motorradfahren sein Hobby sei. Dieser Gesichtspunkt betrifft indes nicht die alltägliche Nutzbarkeit zur eigenwirtschaftlichen Lebensführung und entzieht sich deshalb einer vermögensrechtlichen Bewertung.“
-BGH, Beschluss vom 13.12.2011 – VI ZA 40/11.
Der vermögenswerte Vorteil eines PKW (oder auch Motorrads) besteht darin, dass es eine besondere Form der Autonomie darstellt, die Vorzüge gegenüber dem ÖPNV aufweist und deshalb einen eigenen kommerziellen Wert besitzt. Dabei muss dem Motorrad oder PKW eine zentrale Bedeutung für die Lebenshaltung zukommen. Ein „Hobbymotorrad“ stellt hingegen einen Luxusgegenstand dar.
Dies führt dazu, dass kein Nutzungsausfallersatz zu leisten ist, wenn es sich bei dem Motorrad um ein Zweitfahrzeug handelt und die Lebensführung grundsätzlich ohne Motorrad und dafür mit Auto ähnlich aufrechterhalten lassen kann.
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Nutzungsausfall für ein Motorrad bei hauptsächlicher Nutzung
Anders gestaltet sich jedoch die Frage, wenn es sich bei dem Motorrad um ein Hauptfortbewegungsmittel handelt. Das Berufungsgericht hatte, bevor der Fall vor dem BGH vorgebracht wurde, einen Nutzungsausfall aus verschiedenen Gründen abgelehnt:
- Der Geschädigte hatte eine Jahreskarte für den ÖPNV, die er für Schlechtwettertage nutzte. Daher sei der Geschädigte auch nicht in seiner Lebensführung eingeschränkt worden.
- Der Geschädigte konnte grundsätzlich nur an sonnigen Tagen fahren, und zwar auch nur zwischen März und Oktober.
- Die längere Fahrtdauer, die der Geschädigte mit dem ÖPNV anstelle des Motorrades habe, stelle keinen messbaren wirtschaftlichen Vermögensnachteil dar.
Zusammengefasst vertrat das Berufungsgericht somit die Auffassung, dass bei einem Motorrad sowohl der Nutzungswille als auch die Nutzungsmöglichkeit durch die Wetterabhängigkeit nicht in gleicher Art wie bei einem PKW gegeben sei.
Dem erteilte der BGH (für viele Motorradfahrer glücklicherweise) jedoch eine Absage:
„Die Gebrauchsmöglichkeit des Motorrads, das dem Kläger als einziges Kraftfahrzeug zur Verfügung steht, ist als geldwerter Vorteil anzusehen, so dass der vorübergehende Entzug einen Vermögensschaden darstellt. Der Umstand, dass der Kläger sein Motorrad nur bei günstigen Witterungsbedingungen nutzt, spielt erst im Rahmen der konkreten Schadensbetrachtung bei der Frage eine Rolle, ob der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum – auch im Hinblick auf die Wetterlage – zur Nutzung willens und in der Lage war.“
Dies bedeutet: Grundsätzlich ist ein Nutzungsausfallersatz möglich. Dieser kann im Nachhinein aber eventuell auf die Tage begrenzt werden, an denen tatsächlich die Wetterlage das Motorradfahren auch ermöglicht hätten.
Berechnung der Höhe des Nutzungsausfalles bei Motorrädern
Schlussendlich stellt sich nun die Frage. wie viel Sie an Nutzungsausfall ersetzt verlangen können. Dies hängt von zwei Aspekten ab:
- Welcher „Gruppe“ das beschädigte Motorrad zugeordnet werden kann.
- An wie vielen Tagen Sie den Nutzungswillen und die Nutzungsmöglichkeit tatsächlich hatten.
Das Motorrad wird grundsätzlich der Motorleistung nach einer bestimmten Gruppe zugeordnet. So kann zum Beispiel bei einem Motorrad mit bis zu 37 KW ein Nutzungsausfall von 30,00 Euro gefordert werden, für ein Motorrad mit über 72 KW hingegen 65,00 Euro.
Wenn festgestellt wurde, dass das Motorrad für Sie ein „zentrales Lebensgut“ darstellt, muss dann noch nachgewiesen werden, dass Sie an den in Frage stehenden Tagen sowohl Nutzungswille als auch Nutzungsmöglichkeit besessen haben.
Beispiel: Wenn Sie regelmäßig jeden Tag im März bis Oktober das Motorrad zur Arbeit gefahren haben, soweitdie Wetterverhältnisse es zugelassen haben, notieren Sie für den Zeitraum diejenigen Tage, an denen Sie das Motorrad nicht nutzen konnten. Um Ihren Anspruch nachzuweisen, lohnt es sich eine Tabelle hierfür zu führen:
Beispieltabelle:
Tag | Wetter | Reguläre Nutzung | Nutzungsausfall? |
Montag, 13.07.2020 | Sonnig | Arbeitsweg | (+) |
Dienstag, 14.07.2020 | Sonnig | Arbeitsweg und Einkauf | (+) |
Mittwoch, 15.07.2020 | Gewitter | Einkauf | (-) |
Donnerstag, 16.07.2020 | Sonnig | Arztbesuch | (+) |
Freitag, 17.07.2020 | Sonnig | – | (-) |
Samstag 18.07.2020 | Durchwachsen | Besuch von Verwandten | (+) |
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Zusammenfassung:
Auch bei einem Motorrad können Nutzungsausfälle als Vermögensschaden von der gegnerischen Seite eingefordert werden. Voraussetzung hierfür ist, dass sowohl die Nutzungsmöglichkeit als auch der Nutzungswille gegeben waren, und das Motorrad nicht Zweifahrtzeug oder reines Hobby darstellen.
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