In Deutschland ist jeder zehnte (8.75 Millionen) nicht in einer gesetzlichen Krankenkasse, sondern hat mit einer privaten Krankenversicherer (auch private Krankenkasse oder PKV genannt) eine Krankenvollversicherung abgeschlossen.
Daneben haben 25 Millionen Deutsche eine zusätzliche Privatversicherung neben der gesetzlichen Versicherung bei der Krankenkasse abgeschlossen. An den privaten Krankenversicherungsverträgen wird häufig geschätzt, dass neben den medizinisch notwendigen Heilbehandlungen auch weitere vereinbarte Leistungen von dem privaten Krankenversicherer ersetzt werden.
Im Falle eines Unfalls oder eines Tierangriffs, der zu einer Heilbehandlung führt, kommt es jedoch bei privaten Krankenversicherern häufiger zu Rechtsunsicherheit bei den Versicherten:
Anders als die gesetzliche Krankenkasse werden hier die Heilbehandlungskosten nicht automatisch übernommen. Denn nach § 86 Abs. 1 VVG wird bei der privaten Krankenversicherung der Heilbehandlungskostenersatzanspruch erst dann auf die Krankenkasse übergeleitet, wenn diese die Heilbehandlungskosten bereits beglichen hat, also z.B. die Arztkosten ausgezahlt hat. Der Versicherungsnehmer ist dabei nach § 86 II VVG dazu verpflichtet, den privaten Versicherer bei der Durchsetzung der Rückholung von Heilbehandlungskosten zu unterstützen und kann sogar nach § 86 Abs 2. S. 2 VVG schadensersatzpflichtig gegenüber dem Versicherer werde, wenn er eine Obliegenheit hierbei verletzt.
Unterschied private Krankenversicherung (PKV) und gesetzliche Krankenkasse (GKV): Heilbehandlungskosten
Grundsätzlich liegen bei einem Versicherungsfall die gleichen Voraussetzungen vor: Eine medizinische Heilbehandlung wird notwendig. In diesem Fall leistet die gesetzliche Krankenkasse, soweit die Heilbehandlung von ihrem Versicherungsvertrag umfasst ist, unmittelbar die Arztkosten an den behandelnden Arzt. Bei einer privaten Krankenversicherung sieht dies anders aus: Die Krankenversicherung übernimmt die Heilbehandlung dann, wenn sie ausdrücklich von Ihnen hierzu beauftragt wird. Hierfür senden Sie der privaten Krankenversicherung die Arztrechnung zu, die dann beglichen wird. Dies bedeutet, dass Sie unter Umständen Kosten auch selber tragen können. Wenn Sie die Arztrechnung Ihrer privaten Krankenkasse zuschicken, können die Heilbehandlungskosten übernommen werden.
Wenn die Heilbehandlungskosten anfallen, weil Sie Geschädigter eines Unfalls sind, stellen die Heilbehandlungskosten grundsätzlich einen ersatzfähigen Schaden dar: Der Schädiger muss Sie gemäß § 249 BGB so stellen, wie Sie ohne das schädigende Ereignis stünden. Hätte es keinen Unfall gegeben, wären Sie nicht in eine Heilbehandlung gegangen, und hätten keine Arztkosten. Damit sind die Arztkosten eine Schadensposition.
In diesem Fall ist grundsätzlich der Schädiger verpflichtet, Ihre Heilbehandlungskosten zu tragen. Wenn Sie in einer gesetzlichen Krankenversicherung sind, wird dabei die Heilbehandlung direkt von Ihrer gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt, die dafür automatisch einen Ersatzanspruch nach § 116 SGB X gegen den Schädiger in Höhe der angefallenen Heilbehandlungskosten erhält.
Bei einer privaten Versicherung hingegen können Sie auch direkt Regress bei dem Schädiger nehmen und Ihre Krankenkasse außen vorlassen. Sie haben also ein Wahlrecht:
- Entweder lassen Sie die Heilbehandlungskosten durch die private Krankenversicherung begleichen. Dann erhält die private Krankenversicherung im Gegenschluss wie eine gesetzliche Krankenversicherung den Anspruch gegen den Schädiger.
- Oder Sie bezahlen die Heilbehandlung aus eigener Tasche. In diesem Fall können Sie persönlich bei dem Schädiger Regress nehmen.
Selbstbehalt /Eigenanteil geltend machen
Die privaten Versicherer bieten eine Vielzahl von Versicherungsverträgen an. Unter anderem kann man auch für günstigere monatliche Konditionen einen sogenannten „Selbstbehalt“ vereinbaren.
Die Vereinbaren sehen häufig wie folgt aus:
Sie zahlen pro Monat weniger an monatlichen Beiträgen an Ihre Private Krankenversicherung. Wenn jedoch eine Heilbehandlung vorgenommen werden muss, müssen die Kosten hierfür teilweise von Ihnen prozentual oder anteilig selber getragen werden.
Neben der Frage, ob ein Selbstbehalt wirtschaftlich für Sie sinnvoll ist, stellt sich auch die Frage, was mit dem Selbstbehalt passiert, wenn die Heilbehandlungskosten durch einen unverschuldeten Unfall oder einen Hundebiss durch einen anderen ausgelöst worden sind.
Für diesen Fall kann an zwei Modelle gedacht werden:
- Sie nehmen vollständig Regress an dem Schädiger, der die Heilbehandlungskosten dann zu tragen hat.
- Sie lassen Ihre private Krankenversicherung zahlen. Den Selbstbehalt, den Sie selber zahlen müssten, holen Sie sich von dem Schädiger wieder zurück.
Beide Versionen führen dazu, dass Sie schlussendlich vollständig die Kosten für Ihre Heilbehandlung auf den Schädiger übertragen können.
Verjährung beachten!
Bis hierhin gab es keine weitreichenden Unterschiede zwischen einer Versicherung mit einem privaten Versicherer oder einer gesetzlichen Krankenkasse. Jedoch kann es bei einer privaten Versicherung durchaus zu Problemen nach einem Unfall kommen:
Wenn es durch den Unfall zu Dauerschäden oder Folgekosten kommt, besteht der deliktische Anspruch gegen den Schädiger grundsätzlich nur für drei Jahre. Nach diesem Zeitraum müssen etwaige Selbstbehalte dann wieder von Ihnen selber übernommen werden.
Abfindungen von Versicherung bei privater Krankenversicherung unterzeichnen?
Wenn man sich mit einer gegnerischen Versicherung auseinandersetzt, um einen umfassenden Schadensersatzanspruch zu erreichen, kann die Versicherung einem einen Vergleich hinsichtlich der Schadensregulierung vorschlagen. Dieser wird meistens folgendes Regelungsgehalt beinhalten:
- Es wird Ihnen eine gewisse Summe ausgezahlt,
- dafür gelten alle Ansprüche gegen die Versicherung aus dem Schadensfall als abgegolten.
Dies klingt auf den ersten Blick attraktiv, weil relativ leicht eine hohe Summe erzielt werden kann, hat aber einen Haken für Privatversicherte:
Wenn der Privatversicherte den Vergleich annimmt, dann hat er über den Heilbehandlungskostenersatz verfügt. Dies bedeutet auch, dass die Krankenversicherung sich in diesem Fall nicht mehr an den Schädiger halten kann, wenn es zu Folgebehandlungen kommt. Durch das Annehmen des Vergleichs hat der Privatversicherte dann eine „Obliegenheit“ verletzt. Dies führt nach § 86 Abs. 2 S. 2 VVG dazu, dass die private Versicherung die Heilbehandlungskosten, die aus dem Unfall stammen, nicht mehr übernehmen muss. Daher gilt:
Bei Vergleichen und Abfindungen muss stets darauf geachtet werden, dass zukünftige Behandlungskosten, die aus dem schädigenden Ereignis stammen, nicht mit umfasst sind.
Auch Unwissenheit schützt hier nicht davor, auf den zukünftigen Heilbehandlungskosten gegebenenfalls sitzen zu bleiben. Das OLG Saarbrücken hat 2019 entschieden, dass die Obliegenheitsverletzung nur dann nicht zu einem Leistungsverweigerungsrecht der privaten Krankenkasse führt, wenn der Abschluss des Vergleichs, der zum erlöschen des Regressanspruchs der privaten Versicherung führte, auf anwaltliches Raten hin vorgenommen wurde (Urteil vom 02.10.2019, Az. 5 U 106 / 18). Ansonsten handelt der Privatversicherer fahrlässig, wenn er den Vergleich aus Nichtwissen abschließt.
Beihilfe als Beamter berücksichtigen
Im Falle der Beihilfe übernimmt der Staat als Dienstherr der Beamten, Richter und Soldaten einen Teil der Behandlungskosten.
Für den Fall, dass ein Dritter ursächlich für diese Kosten ist, weil er den Beamten geschädigt hat und deshalb eine Heilbehandlung notwendig ist, kann der Staat (bei Landesbeamten das Land, bei Bundesbeamten der Bund) dann im Wege der Legalzession die gezahlten Behandlungskosten gegen den Schädiger oder dessen Versicherung geltend machen.
Dies führt natürlich nur dazu, dass Sie als Geschädigter die Behandlungskosten, die der Staat übernommen hat, dann nicht selber nochmals vom Schädiger verlangen können.
Die Arztkosten beim Dienst- und Wegeunfall bei Beamten
Eine Ausnahme gilt bei hinsichtlich der Erstattung der Arzt- bzw Heilbehandlungskosten dann, wenn es sich um einen Dienstunfall oder Wegeunfall handelt:
In diesem Fall wird Ihnen das Wahlrecht insoweit entzogen, als dass ein Erstattungsanspruch der Arzt- bzw. Heilbehandlungskosten durch eine gesetzliche Regelung (Legalzession gem. § 116 SGX) auf die Unfallfürsorge bereits zum Zeitpunkt der Schädigung übergeht.
Dafür ist die Unfallfürsorge bzw. Unfallversicherung hinsichtlich Ihrer Arzt- und Behandlungskosten nach einem Unfall vorleistungspflichtig. Die Unfallfürsorge bzw. Unfallversicherung erstattet Ihnen die Behandlungskosten und nimmt sodann den Unfallverursacher bzw. die dahinterstehende Haftpflichtversicherungen in den Regress.
Lesen Sie hier die 5 wichtigsten Tipps rund um das Thema Schmerzensgeld!
Fazit
Hinsichtlich der Behandlungskosten stehen sich gesetzliche Versicherung und private Versicherung vollwertig gegenüber. Vorsicht muss vor allem bei Dauerbehandlungen und Abfindungseinigungen mit der gegnerischen Versicherung walten. Anders als die Schmerzensgeldansprüche bestehen die Heilbehandlungskosten aus verschiedenen, konkreten Positionen, die vom Anspruchsgegner nach einem Unfall zurückverlangt werden können- sei es durch Sie selber oder nach einer Kostenübernahme der privaten Versicherung durch eben diese.