Im Jahr 2019 ereigneten sich ca. 2,7 Millionen Verkehrsunfälle in Deutschland. Das sind knapp 7.400 Verkehrsunfälle pro Tag. Glücklicherweise kommt es bei den Unfällen in den meisten Fällen nur zu einem Blechschaden und nicht zu einem Personenschaden. So wurden 2019 bei Verkehrsunfällen rund 384.000 Personen verletzt.
Nach dem ersten Schock nach einem Verkehrsunfall kommen schnell zahlreiche Fragen bezüglich der Unfallabwicklung auf. Wie geht es weiter? Wer muss den Schaden der Versicherung melden? Wann muss ich nach einem Verkehrsunfall zum Arzt? Diese und viele weitere Fragen beantworten wir in unserem Beitrag, indem Sie alles zu dem Vorgehen der Abwicklung nach einem Verkehrsunfall als Geschädigter erfahren.
Vor Ort richtig handeln
Der Schrecken nach einem Verkehrsunfall ist in den meisten Fällen groß. Deshalb sollte niemals vergessen werden, was bei schwerwiegenderen Unfällen als allererstes zu tun ist: Vor Ort an der Unfallstelle richtig handeln. Wenn Sie wissen, wie Sie nach einem Unfall richtig reagieren, können Sie schlimmeres verhindern und verletzen Personen das Leben retten.
- Unfallstelle absichern
- Notruf verständigen
- Erste Hilfe leisten
- Beweise sichern
- Kontaktdaten austauschen
Kontaktdaten sichern
Nachdem die Unfallstelle abgesichert ist und alle Unfallbeteiligte in Sicherheit sind, sollten Sie für die kommende Schadensabwicklung unbedingt Fotos von der Unfallstelle machen und die Kontaktdaten von Zeugen und vor allem dem Unfallverursacher festhalten.
Sie sollten von dem Unfallverursacher
- den vollständigen Namen,
- die Adresse sowie
- das Kennzeichen notieren.
Zusätzlich hilfreich sind die Daten des Kfz-Halters, sofern dieser vom Fahrer abweicht, sowie die Versicherung, bei der das Fahrzeug versichert ist. Sollte der Fall eintreten, dass der Unfallverursacher nicht unaufgefordert den Unfall der Versicherung meldet, ist es sehr hilfreich, die Kontaktdaten zu haben, da Sie so den Unfallverursacher nachträglich zur Meldung des Schadenfalls auffordern können.
Sinnvoll für die weitere Unfallabwicklung ist die Aufnahme des Unfalls durch die Polizei. So haben Sie die Daten des Unfallverursachers sowie das Kennzeichen genau dokumentiert. Außerdem ist der Polizeibericht für die weitere Abwicklung des Verkehrsunfalls ein erster Anhaltspunkt, wer Schuld am Verkehrsunfall hatte.
Auf zum Arzt!
Nach einem Verkehrsunfall ist der Schock meist groß und kleine Verletzungen nebensächlich. Sie sollten allerdings die Verletzungen nach einem Unfall nicht unterschätzen, da einige Symptome erst verspätet auftreten können und oberflächliche Verletzungen schlimmere Konsequenzen nach sich ziehen können. Insbesondere bei einer HWS-Distorsion, auch Schleudertrauma genannt, treten die Beschwerden im Hals- und Nackenbereich erst mit einigen Stunden Verzögerung auf.
Deshalb ist es wichtig, dass Sie nach einem Unfall entweder zu Ihrem Hausarzt oder ins Krankenhaus gehen, um sicher zu gehen, dass Sie unverletzt sind und um die entstandenen Verletzungen dokumentieren und untersuchen zu lassen.
Die ärztliche Dokumentation ist ein wichtiger Indikator für die erlittenen Verletzungen. Des Weiteren wird das Ausmaß der Verletzung sowie die notwendigen Behandlungsmaßnahmen dokumentiert.
Beides ist für das Schmerzensgeld wichtig, welches Ihnen bei Verletzungen zusteht. Erhöhend für Ihr Schmerzensgeld sind Faktoren wie der Arztbericht, zu nehmende Medikamente, Arbeitsunfähigkeit, Fotos von der Verletzung und Einschränkung im Alltag.
Die häufigste Verletzung nach einem Autounfall ist die HWS-Distorsion. Zu den Symptomen gehören Nacken- und Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel und Verspannungen. Die Schmerzen können wenige Stunden bis mehrere Wochen anhalten und führen zu erheblichen Einschränkungen in Ihrem Alltag. Bei einer HWS-Distorsion wird – je nach Stärke – ein Schmerzensgeld von ca. 300,00 € bis 1.000 € gezahlt. Kommen weitere Verletzungen wie Prellungen oder Frakturen hinzu, erhöht sich das Schmerzensgeld. Das gilt auch bei längerer Arbeitsunfähigkeit, stationärem Aufenthalt oder anderen, besonderen Umständen.
TIPP: Sie haben weitere Verletzungen? Schauen Sie in unserer Schmerzensgeldtabelle nach, wie viel Schmerzensgeld Ihnen zusteht!
Verkehrsunfall melden
Der Unfallverursacher ist im Schadensfall dazu verpflichtet, das Schadenereignis innerhalb einer Woche der Versicherung zu melden.
Wenn Sie wissen, bei welcher Haftpflichtversicherung der Unfallgegner versichert ist, können Sie auch dort anrufen, um sich zu erkundigen, ob dieser den Unfall schon gemeldet hat. Wenn dies der Fall ist, ist zu diesem Verkehrsunfall eine Schadennummer vorhanden, ein Aktenzeichen der Versicherung. Die Schadennummer sollten Sie sich notieren und aufbewahren, denn unter Angabe der Schadennummer können Sie Ihre Ansprüche bei der Versicherung geltend machen.
Mittels der Schadennummer kann Ihr Schreiben schneller zugeordnet und dadurch auch schneller bearbeitet werden.
Versicherung des Unfallgegners herausfinden
Wenn Sie nicht wissen, bei welcher Versicherung das Fahrzeug vom Unfall versichert ist, besteht für Sie die Möglichkeit, dies bei dem Zentralruf der Autoversicherer in Erfahrung zu bringen. Unter der Telefonnummer 0800 250 260 0 können Sie dort die Mitarbeiter erreichen um in Erfahrung zu bringen, welche Haftpflichtversicherung des Unfallverursacher für den Schadensfall zuständig ist.
Wir empfehlen Ihnen, dies per E-Mail oder über das Onlineformular zu erfragen, damit Sie zur Vermeidung von Missverständnissen das Ergebnis schriftlich vorliegen haben.
Gutachten oder Kostenvoranschlag?
Damit Sie den Schaden nach einem Verkehrsunfall beziffern können, muss der an Ihrem Auto entstandene Sachschaden ermittelt werden.
Kostenvoranschlag
Ratsam sich einen Kostenvoranschlag über den Schaden
einzuholen ist es, wenn der Schaden am Fahrzeug unter ca. 800,00 € – 1.000,00 € liegt und es sich somit um einen Bagatellschaden handelt. Der Kostenvoranschlag ist eine grobe Einschätzung für die anstehenden Reparaturkosten. Die Kosten für den Kostenvoranschlag liegen bei ca. 60,00 € und müssen vom Unfallgegner getragen werden.
Allerdings gibt es Ausnahmen zu dieser allgemeinen Bagatellschadengrenze: ist Ihr Fahrzeug z.B. im Heckbereich im Rahmen eines Auffahrunfalls beschädigt worden, geht die Rechtsprechung davon aus, dass unabhängig von der Bagatellgrenze stets ein Gutachten einzuholen ist. Es besteht nämlich im Bereich der Stoßstangen die Gefahr, dass die flexible Plastikverkleidung wieder in ihre ursprüngliche Form zurückspringt und dahinterliegende Schäden als Laie gar nicht erkannt werden können.
Gutachten
Ein Gutachten ist ausführlicher und detaillierter als ein Kostenvoranschlag.
Sie sollten einen Gutachter in Auftrag geben, wenn der Schaden 1.000,00 € übersteigt. Das Gutachten umfasst alle unfallbedingten Schäden am Fahrzeug und dokumentiert die Unfallschäden damit sehr genau. Dadurch kann das Gutachten auch vor Gericht als Beweismittel hinzugezogen werden.
Zusätzlich dokumentiert das Gutachten auch den merkantilen Minderwert. Das der Wert, den Ihr Auto unfallbedingt weniger wert ist, als ein „Unfallfahrzeug“ ist.
Es ist bei größeren Schäden an Ihrem Fahrzeug ausdrücklich zu empfehlen, ein Gutachten in Auftrag zu geben. Die damit verbundenen Kosten muss ebenfalls der Unfallgegner tragen, wenn die Haftung unstreitig ist.
Lesen Sie hier mehr zu dem Thema Gutachten und Kostenvoranschlag.
Weiterer Ablauf nach einem Verkehrsunfall
Wenn Sie nun alle Unterlagen (Kontaktdaten der Versicherung, Gutachten etc.) vorliegen haben, können Ihre Ansprüche geltend gemacht werden. Sie müssen Informationen zum Haftungsgrund (Was ist wie passiert et.) vortragen und Ihre Ansprüche unter Beifügung der erforderlichen Belege beziffern. Sie sollten auch eine zwei- bis dreiwöchige Zahlungsfrist sowie Ihr Konto benennen.
Merke: Die Versicherung zahlt niemals von sich aus einen Betrag, Sie müssen Ihre Ansprüche stets beziffern. Die gegnerische Haftpflichtversicherung steht nämlich auf der Seite des Unfallgegners und hat deshalb ein Interesse daran, möglichst wenig Schadenersatz an Sie zahlen zu müssen.
Schwieriger gestaltet sich jedoch die Durchsetzung von Schmerzensgeldansprüchen. Schmerzensgeld lässt sich nämlich nicht mathematisch berechnen sondern ist von vielen individuellen Faktoren abhängig, wie z.B.
- Art und Schwere der Verletzungen
- Dauer der Behandlung
- Alter des Verletzten
- Langzeitfolgen und Entstellungen uvm.
Wenn Sie oder Ihr Beifahrer durch den Verkehrsunfall verletzt worden sind, sollten Sie keinesfalls versuchen, Ihr Schmerzensgeld selbst zu ermitteln oder zu beziffern. Insbesondere beim nur schwer greifbaren Schmerzensgeld wird die Versicherung versuchen, möglichst wenig zu zahlen.
4-6 Wochen Prüffrist beachten
Nachdem Ihre Schadenersatzansprüche aus dem Verkehrsunfall angemeldet haben, hat die gegnerische Versicherung eine vier- bis sechswöchige Prüffrist, um den Sachverhalt und die Haftung für sich zu ermitteln. Bei einfachen Fällen – ist die Haftung z.B. unstreitig – ist die Frist kürzer, bei komplizierten Fällen kann die Frist auch länger sein.
Haftungsquote nach Verkehrsunfall
Die Haftung, die die gegnerische Versicherung anschließend festlegt, muss keinesfalls richtig sein. Wie bereits dargelegt, ist die Versicherung nicht Schiedsrichter sondern steht der Seite des Unfallverursachers. Wenn Sie der Auffassung sind, dass die Haftungsquote, die die Versicherung z.B. aufgrund eines Mitverschuldens gebildet hat, ungerecht ist, sollten Sie dies überprüfen lassen.
Versicherung kürzt Gutachten nach Autounfall
Es kann vorkommen, dass die gegnerische Versicherung Kürzungen Ihrer Ansprüche, z.B. des eingereichten Gutachtens, vornimmt. Diese Kürzungen können berechtigt oder unberechtigt sein. Als juristischer Laie ist dies zumeist nur schwer feststellen, weshalb Sie von Beginn an juristische Unterstützung in Anspruch nehmen sollten. Kommt es nämlich zu einer überwiegenden Auszahlung Ihres Schadenersatzes und verbleibt nur ein kleiner, gekürzter Teil, wird im Regelfall kein Rechtsanwalt oder Rechtsdienstleister diesen Restanspruch geltend machen, weil dies kaum wirtschaftlich ist. Genau darauf spekulieren Versicherungen bei unberechtigten Kürzungen.
Deshalb: Beauftragen Sie uns gerne von Beginn an, um im Falle von unberechtigten Kürzungen umfassende, rechtliche Unterstützung zu erhalten!
Juristische Hilfe – kostenfrei
Nach einem Verkehrsunfall können Sie einen Rechtsanwalt oder Rechtsdienstleister mit Ihrer Vertretung beauftragen und der Unfallverursacher muss die damit verbundenen Rechtsverfolgungskosten tragen. Sie sollten darauf achten, das Ihr Rechtsbeistand auf Verkehrsunfälle bzw. die Abwicklung von Schäden spezialisiert ist. Insbesondere im Bereich der Personenschäden (Schmerzensgeld etc.) ist eine Spezialisierung unverzichtbar.
Rechtsanwalt oder Rechtsdienstleister nach Autounfall?
Wenn Sie einen Rechtsanwalt für Ihren Verkehrsunfall beauftragen, tragen Sie das finanzielle Risiko der Anwaltskosten. Zwar muss grundsätzlich der Unfallverursacher Ihre Anwaltskosten erstatten. Kommt es hingegen zu berechtigten Kürzungen oder einer Mitverschuldensquote, so bleiben Sie anteilig auf den Anwaltskosten sitzen! Der Anwalt ist nämlich aus berufsrechtlichen Gründen verpflichtet, Ihnen die von der Gegenseite nicht erstatteten Anwaltskosten trotzdem in Rechnung zu stellen. Er darf hierauf nicht verzichten.
Hier kommt der Vorteil eines Rechtsdienstleister zu tragen: ein Rechtsdienstleister muss eine besondere, juristische Sachkunde nachweisen, häufig bearbeiten auch Juristen Ihren Fall. Allerdings tragen Sie kein Kostenrisiko, wenn die gegnerische Versicherung die Gebühren nicht oder nicht in voller Höhe ausgleicht!
Deshalb unsere Empfehlung: ab zum Rechtsdienstleister und ohne Kostenangst den Verkehrsunfall abwickeln lassen!