Nur gut 20 % aller von der Staatsanwaltschaft verfolgten (potentiellen) Taten enden tatsächlich mit einer Anklage oder einem Strafbefehl.
Die Gründe, aus denen es zu einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens kommt, sind unterschiedlich. Hierzu gehören der fehlende Tatverdacht und die Feststellung der Schuldunfähigkeit eines Beschuldigten.
Insbesondere wenn Sie als Opfer einer Straftat Anzeige erstattet und einen Strafantrag gestellt haben, ist die Einstellung des Verfahrens häufig frustrierend. Der Strafprozess soll zwar nicht allein der Genugtuung des Opfers dienen, das Vertrauen des Opfers in den Rechtsstaat ist aber eines der Anliegen, die der Strafprozess erfüllen soll. Neben dem Ärger über die eingestellten Ermittlungen kommt dann gerade für Opfer einer fahrlässigen Körperverletzung noch ein weiterer Aspekt hinzu:
Wie wirkt sich die Einstellung der Ermittlungen jetzt auf den eigenen Schmerzensgeldanspruch aus?
Zivilrecht und Strafrecht
Das Strafrecht und das Zivilrecht sind grundsätzlich unabhängig voneinander, nur in seltenen Fällen verbinden sie sich. Die Aufgaben der beiden Rechtsgebiete sind zu differenzieren:
Im Zivilrecht soll das Verhältnis von einem Bürger zu einem anderen Bürger geregelt werden. Dafür besitzt das Zivilrecht eigene Regeln, was Ihnen an Rechten und Ansprüchen zusteht, wenn Sie durch einen anderen verletzt worden sind. Beispiel ist hierfür der § 823 BGB:
„Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“
Natürlich kann in solchen Fällen auch eine Straftat vorliegen. Diese wird aber nicht zum zivilrechtlichen Schadensersatz gehören.
Im Strafrecht soll hingegen eine Form der Prävention für Schutzgüter geschaffen werde, Sanktionierung für die Verletzung erfolgen, sowie eine Resozialisierung eines Täters möglich gemacht werden.
Ausnahme: Schmerzensgeld im Strafverfahren durchsetzen
Es gibt jedoch auch wenige Ausnahmen. Gem. § 403 StPO kann ein Verletzter einer Straftat im sogenannten „Adhäsionsverfahren“ innerhalb des Strafprozesses Schmerzensgeld geltend machen. § 403 StPO normiert:
„Der Verletzte oder sein Erbe kann gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht anderweit gerichtlich anhängig gemacht ist, im Strafverfahren geltend machen, im Verfahren vor dem Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes.“
Dies sei nur der Vollständigkeitshalber hier erwähnt.
Schmerzensgeldanspruch bei Einstellung der Ermittlung durch die Staatsanwaltschaft
Aufgrund der vorgenannten Trennung zwischen Straf- und Zivilverfahren, hat die Einstellung des Strafverfahren keine unmittelbaren Auswirkungen auf Ihr Schmerzensgeld.
Allerdings kann die Einstellungsart nicht selten ein Indikator für die Erfolgsaussichten Ihres Schmerzensgeldanspruch sein.
Der Täter ist schuldunfähig
Wenn der Täter zum Zeitpunkt der Tat tatsächlich schuldunfähig war, wird das Verfahren ad acta gelegt. In diesen Fällen müssen Sie sich unter Umständen auch von Ihrem Schmerzensgeldanspruch verabschieden. § 827 BGB normiert:
„Wer im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem anderen Schaden zufügt, ist für den Schaden nicht verantwortlich. Hat er sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel in einen vorübergehenden Zustand dieser Art versetzt, so ist er für einen Schaden, den er in diesem Zustand widerrechtlich verursacht, in gleicher Weise verantwortlich, wie wenn ihm Fahrlässigkeit zur Last fiele; die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er ohne Verschulden in den Zustand geraten ist.“
Dies meint, dass wenn sich die Person willentlich so sehr betrunken hat, dass sie schuldunfähig geworden ist, sie sich hierauf nicht berufen kann. Dies gilt aber beispielsweise nicht für schwer Geisteskranke. Der zivil- und strafrechtliche Schuldbegriff sind nicht identisch. Allerdings muss dann genau geprüft werden, ob eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit besteht.
Kein hinreichender Tatverdacht (§ 170 StPO)
Zumindest bei den typischen fahrlässigen Körperverletzungsfällen, die aus einem Hundebiss oder einem Autounfall resultieren können, wird ein Tatverdacht grundsätzlich gegeben sein. Wenn Ihnen beispielsweise jemand aufgefahren ist, genügt allein dies schon für die erste Vermutung, dass dies fahrlässig erfolgt.
Bei der sogenannten verschuldensunabhängigen Halterhaftung (z.B. bei Fahrzeugen oder Tieren) kommt es jedoch auf die Frage, ob ein Verschulden vorliegt, nicht an.
Die Haftung wird nämlich unabhängig von einem Verschulden, z.B. einem fahrlässigen oder vorsätzlichen Verhalten, angenommen (Für Fahrzeuge gem. § 7 Abs. 1 StVG, für Haustiere gem. § 833 S. 1 BGB)
Im Strafrecht gibt es jedoch keine „verschuldensunabhängige Strafbarkeit“. Es muss gerade positiv festgestellt werden, dass der Hundehalter fahrlässig handelte. Hierbei gilt auch „in dubio pro reo“. Wenn die Täterschaft nicht sicher ist, darf ein Angeklagter nicht verurteilt werden.
Damit kann zwar ein Ermittlungsverfahren mangels Tatverdachts eingestellt werden, über die Halterhaftung können Sie Ihren Schmerzensgeldanspruch gleichwohl weiter verfolgen. Im Übrigen sind an den Nachweis und die Gewissheit der strafrechtlichen Fahrlässigkeit weitaus höhere Maßstäbe anzusetzen als an die zivilrechtliche Fahrlässigkeit.
Geringfügigkeit der Tat
Ein weiterer, häufiger Grund, aus dem die Ermittlung eingestellt und das Verfahren gestoppt wird, ist in § 153 Abs 1 S. 1 StPO normiert:
„Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht.“
Dies bedeutet, dass bereits ein fortgeschrittenes Verfahren ad acta gelegt wird. Darüber hinaus kann das Verfahren auch eingestellt werden, und dem Beschuldigten dafür eine Auflage oder Weisung erteilt werden (§ 153a StPO). In diesem Fall wird jedoch eine Schuld – im Gegensatz zur Einstellung gem. § 153 StPO ausdrücklich angenommen.
Für Sie als Opfer einer Straftat ist dies natürlich im ersten Moment misslich. Wie oben bereits erläutert, verfolgt das Strafrecht auch Ihre Interessen der Genugtuung. Diese Genugtuung können Sie ungeachtet dessen aber noch im Zivilprozess verfolgen. Die Geringfügigkeit der Tat oder der Schuld spielen hier keine Rolle. Im Regelfall genügt schon leichteste Fahrlässigkeit, um einen Schmerzensgeldanspruch zu begründen.
Fazit
Grundsätzlich sind das Strafverfahren und das Zivilverfahren getrennt voneinander.Eine mittelbare Wirkung lässt sich jedoch nicht abstreiten.