Nutzungsausfall bei Fahrrädern und E-Bikes

Nutzungsausfall bei Fahrrädern und E-Bikes

Wenn ihr Wagen nach einem Unfall so beschädigt ist, dass Sie den Wagen für einige Zeit nicht nutzen können, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten:

  1. Sie können für den Zeitraum, in dem Sie auf die Fertigstellung der Reparatur des Wagens warten, einen Mietwagen nutzen.
  2. Sie können auf Ihren Wagen verzichten, und stattdessen einen Nutzungsausfall als Schadensposition bei dem Unfallgegner geltend machen.

Die Verkehrswende wird von vielen Politikern und innerhalb der Bevölkerung seit geraumer Zeit gefordert. Es soll für Straßenverkehrsteilnehmer grundsätzlich attraktiver werden, anstelle des Autos auf das Fahrrad oder den ÖPNV zurückzugreifen. 

Immer mehr Menschen greifen auf Fahrräder oder E-Bikes zurück, um zur Arbeit zu gelangen. Doch steht Ihnen als Fahrradvielfahrer auch ein Nutzungsausfall zu, wenn Ihr Fahrrad bei einem Unfall beschädigt wurde?

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Nutzungsausfall nach einem Fahrradunfall

Grundsätzlich wird ein Nutzungsausfall ersetzt,

  1. wenn die Sache nicht genutzt werden kann,
  2. aber ein hypothetischer Nutzungswille besteht.

Die Rechtsprechung formuliert, dass der Gebrauchsvorteil eines Wagens grundsätzlich einen Vermögensvorteil darstelle. Wenn man auf diesen verzichten muss, kann dies als immaterieller Schaden abgerechnet werden.

Die Verfügbarkeit eines Kfz ist grundsätzlich geeignet, Zeit und Kraft zu sparen und sich unabhängig von öffentlichen Verkehrsmitteln fortbewegen zu können. Dabei darf es sich nicht um „Luxuswirtschaftsgüter“ handeln. So wurde ein Nutzungsausfallsersatz für Pelzmäntel oder Privatpools bisher von der Rechtsprechung verneint.

Nutzungsausfall bei Fahrrädern

Fahrräder und E-Bikes stellen für ihre Eigentümer regelmäßig auch „zentrale“ wirtschaftliche Güter zur Lebensgestaltung dar.

Deswegen ist anerkannt, dass auch für Fahrräder ein Nutzungsersatz gefordert werden kann, wenn das Fahrrad in der Werkstatt nach einem Unfall repariert werden muss oder eine Neuanschaffung getätigt wird.

Auch für Fahrräder gilt:

  1. Es muss ein nachweisbarer Nutzungsausfall sowie ein
  2. einen hypothetischer Nutzungswillen vorhanden sein.

Schmerzensgeld nach Fahrradunfall? Lesen Sie hier, wie viel Schmerzensgeld Ihnen zusteht!

 

Nachweisen, dass das Fahrrad nicht genutzt werden kann

Im besten Fall lassen Sie sich von der Werkstatt, in der Ihr Fahrrad oder E-Bike repariert wird, schriftlich bestätigen, dass das Fahrrad tatsächlich für einen gewissen Zeitraum repariert wurde. Wenn das Fahrrad zerstört wurde, muss nachgewiesen werden, dass es irreparabel ist. Um dies bei Ihrem Fahrrad nachweisen zu können, können Sie ein Gutachten oder einen Kostenvoranschlag einholen.

Nutzungswillen beweisen

Grundsätzlich muss das Fahrrad für Sie eine zentrale Bedeutung haben. Das Fehlen des Fahrrads oder E-Bikes muss für Sie in der allgemeinen Lebensführung „spürbar“ sein. Daher verneint die Rechtsprechung einen Nutzungsausfallersatz für Fahrräder dann, wenn es nur eine Freizeitaktivität ist.

Das OLG Stuttgart formulierte in einem Beschluss von 09.09.2013:

„Der zeitweilige Verlust der Gebrauchsmöglichkeit eines ausschließlich zur sportlichen Betätigung dienenden Rennrads begründet keinen Anspruch auf abstrakte Nutzungsentschädigung.

Der Ersatz für den Verlust der Möglichkeit zum Gebrauch einer Sache muss grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in denen die Funktionsstörung sich typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt.
(OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.09.2013 – 13 U 102/13

Sollten Sie also das Fahrrad als „Auto-Ersatz“ nutzen, um zur Arbeit zu fahren oder um in Ihrer Freizeit andere Orte aufsuchen zu können, ist ein Nutzungsersatz grundsätzlich möglich.

Teilweise könnte die gegnerische Versicherung einwenden, dass dann ein Nutzungsausfall zu verneinen ist, wenn sowieso so schlechtes Wetter gewesen wäre, dass das Fahrradfahren für diese Zeit  ausgeschlossen sei. Zumindest für Motorräder hat der BGH dieser Sichtweise aber teilweise eine Absage erteilt:

 „Der Umstand, dass das Motorrad nur eingeschränkt – bei geeignetem Wetter – genutzt wird, spielt erst im zweiten Schritt, nämlich im Rahmen der konkreten Schadensbetrachtung bei der Frage eine Rolle, ob der Geschädigte im streitgegenständlichen Zeitraum zur Nutzung willens und in der Lage gewesen wäre und der Gebrauchsentzug für ihn fühlbar geworden ist. Dass dies im Einzelfall – bei einem Motorrad anders als bei einem Pkw möglicherweise unter Einbeziehung der Wetterbedingungen in dem maßgeblichen Zeitraum – festgestellt werden muss, läuft entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung den Erfordernissen der Rechtssicherheit und der Berechenbarkeit des Schadens nicht zuwider.“ (BGH, Urteil vom 23.01.2018 – VI ZR 57/17) 

Dies bedeutet, dass ein Nutzungsausfall trotzdem bejaht werden kann, unter Umständen aber nachgewiesen werden muss, dass es trotz des Wetters genutzt worden wäre. Gerade für hartgesottene Fahrrad- und E-Bikefahrer, die sich von Wind und Wetter nicht aufhalten lassen, muss es dann einen vollumfänglichen Nutzungsausfallsersatz geben.

Kein Zweitrad als Alternative vorhanden

Ähnlich wie bei Nutzungsausfällen für KfZ dürfen Sie nicht die Möglichkeit haben, auf ein anderes Fahrrad, welches in Ihrem Eigentum steht, zurückgreifen zu können. Es ist unbeachtlich, dass Sie beispielsweise ein Auto haben, welches Sie anstelle des Fahrrads nutzen konnte. Denn es ist ja Ihre persönliche Entscheidung, dass Sie grundsätzlich mit dem Fahrrad lieber zur Arbeit fahren, da Sie hierbei beispielsweise Abkürzungen fahren und somit fühlbar mehr mobil sind.

Fahrradunfall und was nun? Lesen Sie in diesem Beitrag, was Sie nach einem Fahrradunfall tun müssen!

Dauer des Nutzungsausfalls nach einem Fahrradunfall

Nachdem die Frage geklärt ist, wann Sie überhaupt Anspruch auf Nutzungsausfall für ihr Fahrrad haben, ist nun die Frage zu stellen, für welchen Zeitraum man diesen Nutzungsausfallsersatz fordern kann. Hierbei ist zu unterscheiden:

Fahrrad wird nach Unfall repariert

Wenn das Fahrrad in einer Werkstatt repariert wird, dann können Sie für diesen Zeitraum den Nutzungsersatz fordern.

Ist das Fahrrad nicht verkehrstüchtig bzw. verkehrssicher, so dauert der Nutzungsausfallzeitraum bis zur abgeschlossenen Reparatur an.

Fahrrad ist ein Totalschaden

Wenn das Fahrrad einem wirtschaftlichen Totalschaden zum Opfer gefallen ist, kann es grundsätzlich nicht mehr repariert werden.

In diesem Fall gilt für Autos, dass davon ausgegangen wird, dass man innerhalb von 14 Tagen einen Ersatzwagen beschaffen kann, sodass diese 14 Tage der Zeitraum des Nutzungsersatzes darstellen. Der Kauf eines Wagens ist häufig komplizierter als der Kauf eines Fahrrades, trotzdem kann dies zunächst als Richtwert genutzt werden.

Bei einem wirtschaftlichen Totalschaden ist aber noch ein weiterer Punkt zu beachten: Der Rechtsprechung nach muss ein Nutzungswille nachgewiesen werden. Dieser wird vermutet, wenn ein Fahrrad repariert wird, denn niemand ohne Nutzungswille lässt ein Rad reparieren.

Wenn das Fahrrad aber nicht repariert wird, weil es nicht repariert werden kann, muss man nachweisen,

  1. dass man sich ein neues Fahrrad angeschafft hat, und
  2. dass man es auch noch eine geraume Zeit nach dem Neukauf nutzt. Für ein Auto gilt dabei, dass der neue Wagen mindestens sechs Monate nach der Neuzulegung noch genutzt werden muss.

 

Höhe des Nutzungsausfalles für ein Fahrrad pro Tag

Es gibt keine tabellarische Auflistung für Fahrräder, wie viel Nutzungsausfallentschädigung pro Tag zu zahlen ist. Ein Richtwert können hierbei jedoch die Mietkosten für ein Fahrrad sein. Dabei muss aber 40% des Mietpreises abgezogen werden, da dies typischerweise der Gewinn des Fahrradvermieters ist.

Es können somit durchschnittlich pro Tag 6-10 € verlangt werden, wenn das Fahrrad nicht genutzt werden konnte, und auch kein Fahrrad ersatzweise angemietet wurde.

Fazit

Auch für Fahrräder kann eine Nutzungsausfallentschädigung beansprucht werden. Hierbei ist es besonders wichtig, dass nachgewiesen wird, dass es sich um ein zentrales Gut mit Auswirkung auf die Lebensführung handelt und tatsächlich trotz Nutzungswillen hierauf verzichtet werden musste.

Wir helfen Ihnen nach einem Fahrradunfall, bei dem Ihr Fahrrad von der gegnerischen Seite beschädigt oder zerstört wurde, neben Reparaturkosten und Schmerzensgeld auch den Nutzungsausfall gegen den Unfallgegner und seine Versicherung durchzusetzen.

Erhalte ich nach einem Fahrradunfall Nutzungsausfall?

Ihnen steht auch nach einem Fahrradunfall eine Nutzungsausfallentschädigung zu, wenn Sie das Fahrrad im Alltag nutzen und kein Zweitrad zur Verfügung haben.

Wie hoch ist die Nutzungsausfallentschädigung nach einem Fahrradunfall?

Abhängig von der Ausstattung und dem Alter des Fahrrads erhalten Sie eine Nutzungsausfallentschädigung zwischen 6,00 – 10,00 € pro Tag.

Für wie viele Tage erhalte ich Nutzungsausfall?

Ist das Fahrrad unfallbedingt nicht fahrtüchtig, so erhalten Sie bis zum Abschluss der Reparatur die Nutzungsausfallentschädigung. Handelt es sich um einen wirtschaftlichen Totalschaden werden zumeist zwischen 10 und 15 Tage Nutzungsausfall zugrunde gelegt.
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