Urteil Gericht

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 8. Juni 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen das Teilanerkenntnis- und Schlussurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Zweibrücken vom 10. Oktober 2008 wegen der Abweisung der Klage in Höhe von 3.081,24 €; nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Juli 2006 sowie 186,82 €; vorgerichtlicher Kosten zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der beklagten Sparkasse die Zahlung weiterer Zinsbeträge aus einem beendeten Sparvertrag an sich und ihren Ehemann.

Die Klägerin und ihr Ehemann schlossen im Jahre 1986 einen Sparvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) über ein so genanntes S-Versicherungssparen mit einer Laufzeit von zwanzig Jahren. In dem von ihnen unterzeichneten Vertragsformular heißt es:

„2. Zinsen und Prämien Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz für S-Versicherungseinlagen am Ende der Gesamtdauer des Vertrages eine unverzinsliche Prämie auf die vertragsgemäß eingezahlten Sparbeiträge. Die Prämie beträgt bei einer Vertragsdauer von 8 bis 9 Jahren – 2%, 10 bis 11 Jahren – 4%, 12 bis 14 Jahren – 10%, 15 bis 19 Jahren – 15%, 20 bis 25 Jahren – 30%.

3. Kündigung Bis 4 Jahre vor Ende des Vertragsdatums kann der Kunde über Beträge jeweils nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist von 6 Monaten unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 48 Monaten verfügen; ab einem Zeitpunkt von 3 Monaten vor Ende der Vertragsdauer kann das Guthaben unter Einhaltung einer Frist von 3 Monaten gekündigt werden. Die Zahlung einer Prämie erfolgt für die tatsächliche Vertragsdauer entsprechend der Prämienstaffel. Bei Verfügungen vor dem Vertragsende ohne Einhaltung der Kündigungsfrist wird eine S-Prämie nicht gezahlt.“

Der von der Beklagten gezahlte Nominalzins für S-Versicherungssparen betrug laut ihrem Preisaushang bei Abschluss des Sparvertrages jährlich 5%. Die Klägerin und ihr Ehemann zahlten in den Jahren 1986 bis 2005 die vereinbarten monatlichen Sparbeträge von 200 DM für die Zeit von Oktober bis Dezember 1986 und von 100 DM ab dem 1. Januar 1987 ein, wobei allerdings nicht monatlich gezahlt wurde, was der Sparvertrag zuließ. Mit Ablauf des Sparvertrages zahlte die Beklagte an die Klägerin und ihren Ehemann einen Betrag von 22.034,20 €; aus.

Die Klägerin hat die Zinsberechnung der Beklagten beanstandet und sie mit wechselnden Anträgen auf Zahlung höherer Sparzinsen nebst Verzugszinsen an sich und ihren Ehemann sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten in Anspruch genommen. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat unter Heranziehung der von der Beklagten genannten Kombination aus den in der Bundesbankstatistik ausgewiesenen Zinssätzen für zwei- und zehnjährige Spareinlagen im Verhältnis von 20% zu 80% sowie Berücksichtigung einer Anpassungsschwelle von 0,1 Prozentpunkten einen restlichen Zahlungsanspruch der Klägerin und ihres Ehemannes in Höhe von 19,94 €; errechnet, den die Beklagte nebst Zinsen anerkannt hat.

Das Landgericht hat die Beklagte dem Anerkenntnis entsprechend verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin, mit der sie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 4.320,75 € nebst Zinsen sowie 246,13 € vorgerichtlicher Kosten begehrt hat, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der – vom Berufungsgericht zugelassenen – Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag in Höhe von 3.081,24 € nebst Zinsen sowie 186,82 € vorgerichtlicher Kosten weiter.

 

Gründe

Die Revision ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Soweit die Klägerin wegen der zunächst unbeschränkt eingelegten Revision die Rücknahme der weitergehenden Revision erklärt hat, geht das ins Leere. Eine Teilrücknahme der Revision (§§ 555516 ZPO) liegt nicht vor, wenn der Revisionskläger die Revision unbeschränkt einlegt (§ 549 ZPO) und in der Revisionsbegründung die Revisionsanträge von vornherein hinter der Beschwer des Revisionsklägers zurückbleiben. Denn erst in der Revisionsbegründung müssen die Revisionsanträge enthalten sein (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 ZPO), die den Umfang des eingelegten Rechtsmittels bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 1968 – VIII ZB 26/68NJW 1968, 2106; Musielak/Ball, ZPO, 7. Aufl., § 516 Rn. 26). Für eine Entscheidung des Revisionsgerichts nach §§ 555516 Abs. 3 ZPO über den nicht angegriffenen Teil der Berufungsentscheidung ist kein Raum, weil dieser Teil nicht beim Revisionsgericht anhängig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 1968 – VIII ZB 26/68NJW 1968, 2106).

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für die Revisionsinstanz von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Nach dem Inhalt des Sparvertrages sei ein variabler Zinssatz vereinbart worden. Der Sparvertrag enthalte jedoch keine Regelung, wie die Änderung des Zinssatzes vorzunehmen sei. Er stelle daher die Änderung des Zinssatzes einseitig in das Ermessen der Sparkasse. Eine solche Zinsänderungsklausel sei aber in Allgemeinen Geschäftsbedingungen – wie sie hier vorlägen – unwirksam.

Das führe aber nicht dazu, dass gar keine Zinsen zu zahlen wären. Vielmehr sei die unwirksame Klausel durch eine ergänzende Vertragsauslegung auszufüllen, da es hierzu an dispositivem Gesetzesrecht fehle. Entscheidend sei danach, welche Regelung von den Parteien in Kenntnis der Unwirksamkeit der vereinbarten Zinsänderungsklausel nach dem Vertragszweck und angemessener Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner gewählt worden wäre. Die Parteien hätten im Grundsatz eine Entscheidung für Zinsvariabilität und damit gegen Zinsstabilität getroffen. An dieser Entscheidung seien sie festzuhalten. Die Beklagte habe als Referenzzins eine Kombination zwischen den Zinssätzen für 2- und 10-jährige Anlagen gewählt gemäß den Statistiken der Deutschen Bundesbank bei einer Gewichtung von 20% und 80%. Mit dem Zinssatz für 10-jährige Anlagen und dem Zinssatz für 2-jährige Anlagen werde sowohl der Langfristigkeit der Anlage als auch einer möglichen vorzeitigen Kündigung Rechnung getragen. Die auf dieser Basis vorgenommene Zinsänderung sei daher nicht zu beanstanden.

Demgegenüber sei es nicht sach- und interessengerecht, den Spareckzins als Referenzzins heranzuziehen, da dieser sich auf Spareinlagen beziehe, die mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündbar seien. Solche kurzfristig verfügbaren Spareinlagen seien mit der von den Parteien gewählten langfristigen Anlage nicht vergleichbar. Soweit die Klägerin sich darauf berufe, dass sie ein Interesse gehabt habe, einen Sparzins zu erzielen, der deutlich über dem Spareckzins liege und immer denselben Abstand zum Spareckzins aufweise, stelle dies lediglich ihr einseitiges Interesse dar, berücksichtige aber nicht die ebenfalls abzuwägenden Interessen der Beklagten.

Des Weiteren berücksichtige es die beiderseitigen Interessen am besten, eine Zinsänderung nicht schon bei der Änderung eines Referenzzinssatzes um 0,01 Prozentpunkte nach oben oder unten vorzunehmen, wie es die Verbraucherzentrale in der von der Klägerin vorgelegten Berechnung getan habe. Interessengerecht sei, dass erst eine Veränderung des Zinssatzes von einer gewissen Erheblichkeit zu einer Änderung des Vertragszinses führe, um nicht laufend den Zinssatz ändern zu müssen, was zu Unübersichtlichkeiten bei der Abrechnung führe. Die von der Beklagten gewählte Anpassungsschwelle von 0,1 Prozentpunkten nach oben oder unten sei ein Wert, der auch in der Literatur als richtig angesehen werde.

Der Sachverständige habe in seinem Gutachten den oben genannten Referenzzins herangezogen und auch die Änderungen des Zinssatzes bei der entsprechenden Veränderung vorgenommen. Er habe dabei als ersten Zinssatz entsprechend der von der Beklagten vorgenommenen Gutschrift in dem Sparbuch einen Zinssatz von 5,16% berücksichtigt, wie dies die Beklagte auch in ihrer Nachberechnung getan habe. Des Weiteren habe er den jeweiligen Zinsabstand zum Referenzzins beibehalten. Die von der Klägerin vorgelegte Zinsberechnung der Verbraucherzentrale unter Zugrundelegung desselben Referenzzinses, die zu einem anderen Ergebnis komme, beruhe darauf, dass dort als erster Vertragszins ein Zinssatz von 6% eingestellt worden sei und Änderungen des Zinssatzes bereits bei einer Veränderung um 0,01 Prozentpunkte vorgenommen werde. Dies entspreche jedoch nicht einer interessengerechten Auslegung. Die Klägerin habe nicht zu beweisen vermocht, dass mit ihr ein anfänglicher Zinssatz von 6% vereinbart worden sei. Vielmehr sei nach dem Sparvertrag der jeweils gültige Zins vereinbart gewesen, der sich für den Beginn des Vertrages feststellen lasse, da er dort im Preisaushang der Sparkasse aufgeführt gewesen sei. Die Beklagte habe insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass der Zinssatz sowohl im August 1986 als auch im Oktober 1986 jeweils bei 5% gelegen habe.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht nach den bisher getroffenen Feststellungen den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch aus dem Sparvertrag mit der Beklagten auf Zahlung weiterer Zinsen in Höhe von 3.081,24 €; verneint. Dementsprechend ist auch die Versagung der von der Klägerin begehrten vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 186,82 €; bislang nicht gerechtfertigt.

1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass die streitige Zinsänderungsklausel insofern wegen Verstoßes gegen den nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB anwendbaren § 308 Nr. 4 BGB unwirksam ist, als sie nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweist (vgl. Senat, BGHZ 158, 149, 153 ff. und Urteil vom 10. Juni 2008 – XI ZR 211/07WM 2008, 1493, Tz. 10 ff.; jeweils zu vergleichbaren Klauseln).

Zutreffend ist das Berufungsgericht stillschweigend weiter davon ausgegangen, dass die Klausel dagegen wirksam ist, soweit sie die Vereinbarung eines variablen Zinssatzes enthält, weil es sich dabei um eine gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Klauselkontrolle nicht unterliegende Preisregelung der Parteien handelt (vgl. Senatsurteil vom 10. Juni 2008 – XI ZR 211/07WM 2008, 1493, Tz. 16 f.). Ebenfalls nicht der Inhaltskontrolle unterliegt der anfängliche Vertragszins, der Ausgangspunkt der Zinsänderung ist (vgl. Senat, BGHZ 158, 149, 153 f.; Schimansky, WM 2003, 1449, 1452). Nach den im Revisionsverfahren bindenden tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 559 ZPO) haben die Parteien keinen anfänglichen Vertragszins in Höhe von 6% vereinbart, sondern den im Preisaushang der Beklagten ausgewiesenen Zins, der im August und im Oktober 1986 gemäß dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten 5% betragen hat. Soweit das Berufungsgericht entsprechend den tatsächlichen Buchungen der Beklagten einen Anfangszinssatz von 5,16% seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, beschwert das die Klägerin als für sie günstig nicht.

2. Rechtsfehlerhaft ist jedoch die vom Berufungsgericht auf der Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens vorgenommene Zinsberechnung.

a) Das Berufungsgericht ist insoweit allerdings wiederum im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass die durch die Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel entstandene Lücke im Vertrag durch ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133157 BGB) zu schließen ist (vgl. Senatsurteil vom 10. Juni 2008 – XI ZR 211/07WM 2008, 1493, Tz. 18 m.w.N.). Entgegen der Ansicht der Revision kann die Lücke nicht durch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Klägerin nach § 316, § 315 Abs. 1 BGB geschlossen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt § 316 BGB lediglich eine nur im Zweifel eingreifende gesetzliche Auslegungsregel dar, der gegenüber die Vertragsauslegung den Vorrang hat. Eine Vertragslücke kann nicht durch den Rückgriff auf § 316 BGB geschlossen werden, wenn und weil dies dem Interesse der Parteien und ihrer Willensrichtung typischerweise nicht entspricht. Vielmehr ist es geboten, vorrangig die Regeln über die ergänzende Vertragsauslegung heranzuziehen, wofür die den Gegenstand der Leistung und die das Verhältnis der Parteien prägenden Umstände maßgeblich sind. Denn diese bestimmen den Inhalt der von den Parteien getroffenen Absprachen und bilden in aller Regel eine hinreichende Grundlage für die Festlegung der interessengerechten Gegenleistung (vgl. BGHZ 94, 98, 101 f.; 167, 139, Tz. 10; BGH, Urteil vom 26. September 2006 – X ZR 181/03NJW-RR 2007, 103, Tz. 20). Entscheidend ist danach, welche Regelung von den Parteien in Kenntnis der Unwirksamkeit der vereinbarten Zinsänderungsklausel nach dem Vertragszweck und angemessener Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) als redliche Vertragspartner gewählt worden wäre (vgl. Senatsurteil vom 10. Juni 2008 – XI ZR 211/07WM 2008, 1493, Tz. 18).

b) Zutreffend ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass der Beklagten im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung kein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB zugebilligt werden kann. Das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Klauselverwenders entfällt mit Unwirksamkeit der Klausel ersatzlos (vgl. Schimansky, WM 2001, 1169, 1175; Burkiczak, BKR 2007, 190, 193; Rösler/Lang, ZIP 2006, 214, 218; Metz, BKR 2001, 21, 24, 28; siehe auch BGHZ 94, 98, 103; aA Habersack, WM 2001, 753, 760). Die Beklagte konnte daher nicht einseitig die Parameter festlegen, die sie ihrer Neuberechnung zugrunde gelegt hat und auf denen das Sachverständigengutachten beruht. Da diese Parameter nicht Inhalt des Sparvertrages sind, kann auch dahinstehen, ob sie im Rahmen einer vertraglichen Zinsänderungsklausel der Inhaltskontrolle standhalten würden. Vielmehr hat das Gericht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die maßgeblichen Parameter selbst zu bestimmen, wobei in sachlicher Hinsicht (z.B. Umstände einer Zinsänderung, insbesondere Bindung an einen aussagekräftigen Referenzzins) und in zeitlicher Hinsicht (z.B. Dauer der Zinsperiode) präzise Parameter zu wählen sind, die dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit von Zinsänderungen genügen (vgl. Senat, BGHZ 180, 257, Tz. 35 m.w.N.).

c) Die vom Berufungsgericht vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung unterliegt der selbständigen und uneingeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Formularmäßige Zinsänderungsklauseln der vorliegenden Art sind – ähnlich wie die AGB-Sparkassen (dazu Senat BGHZ 180, 135, Tz. 11) – typische, deutschlandweit verbreitete Vereinbarungen, bei deren Unwirksamkeit im Interesse der Rechtssicherheit eine allgemeinverbindliche ergänzende Vertragsauslegung unabhängig von den Besonderheiten des konkreten Einzelfalls sachlich geboten ist (vgl. Senat BGHZ 164, 286, 292; BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 – III ZR 79/07WM 2008, 1886, Tz. 11; H. Schmidt, in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl., § 306 Rn. 32 m.w.N.).

aa) Als wichtigster Parameter ist der Referenzzins zu bestimmen, dessen Veränderung Auslöser für die Zinsänderung ist. Es muss sich hierbei um einen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzins handeln, der von unabhängigen Stellen nach einem genau festgelegten Verfahren ermittelt wird und die Bank nicht einseitig begünstigt (vgl. Rösler/Lang, ZIP 2006, 214, 215; siehe auch § 675g Abs. 3 Satz 2 BGB). Dabei ist unter den Bezugsgrößen des Kapitalmarktes diejenige oder eine Kombination derjenigen auszuwählen, die dem konkreten Geschäft möglichst nahe kommen (Senat, BGHZ 158, 149, 158).

Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen, hat aber zu Unrecht den Referenzzins als sachgerecht angesehen, den die Beklagte auf der Grundlage der in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinssätze selbst aus einer Kombination aus 2- und 10-jährigen Anlagen errechnet hat. Das ist nicht interessengerecht und lässt wesentliche Regelungen in dem Sparvertrag außer Betracht. Der Sparvertrag hatte eine Laufzeit von 20 Jahren. Die volle Prämie von 30%, die diesen Vertrag für die Klägerin im Vergleich zu einem gewöhnlichen Sparbuch besonders interessant machte, fiel nur an, wenn der Sparvertrag über die volle Laufzeit durchgehalten wurde und keine vorzeitige Verfügung über das Guthaben erfolgte. Die vorzeitige Kündigungsmöglichkeit der Klägerin mit einer Frist von 4 1/2 Jahren war für sie keine echte Handlungsalternative, da sie dann für das gekündigte Kapital keine oder nur eine deutlich geringere Prämie erhalten hätte (vgl. dazu auch BGHZ 158, 149, 157). Die Einbeziehung eines Referenzzinses für kurzfristige Spareinlagen entspricht daher selbst dann, wenn dies – wie hier von der Beklagten vorgesehen – nur mit einem Anteil von 20% geschieht, nicht dem im Vertrag zum Ausdruck gekommenen Interesse der Parteien. Aus denselben Gründen kann entgegen der Ansicht der Revision auch der Spareckzins nicht als Referenzzins herangezogen werden, weil er den Zinssatz für Spareinlagen mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten angibt.

Nach dem Konzept des Sparvertrages ist es allein interessengerecht, einen Referenzzins für langfristige Spareinlagen heranzuziehen. Die in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinssätze für vergleichbare Produkte hat der Bundesgerichtshof bereits in der Vergangenheit als geeignete Referenz angesehen (vgl. BGHZ 97, 212, 223; auch BGHZ 161, 196, 203 f.). Es sind daher die in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinssätze für Spareinlagen mit einer Laufzeit zugrunde zu legen, die der zwanzigjährigen Laufzeit des vorliegenden Sparvertrages unter Berücksichtigung des Ansparvorgangs nahe kommen. Dazu hat das Berufungsgericht bisher keine Feststellungen getroffen. Es wird daher nach ergänzendem Vortrag der Parteien gegebenenfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären haben, welcher konkrete, in den Zinsstatistiken der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Zins als maßgebliche Referenz heranzuziehen ist.

bb) Ferner sind die Anpassungsschwelle, ab der eine Zinsänderung vorzunehmen ist, und der Anpassungszeitraum, für den sie gelten soll, zu ermitteln. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Parteien bei der Bestimmung der Anpassungsschwelle und des Anpassungsintervalls weitestgehend frei sind. Sie müssen nur beachten, dass für Zinssenkungen und Zinserhöhungen die gleichen Parameter verwendet werden (Schimansky, WM 2001, 1169, 1173; Rösler/Lang, ZIP 2006, 214, 217). Haben die Parteien – wie hier – keine wirksame Vereinbarung getroffen, kann es wegen des weiten Ermessens der Parteien bei der Festlegung einer Anpassungsschwelle auch interessengerecht sein, dass sie ganz entfällt und wie bei einer Zinsgleitklausel (vgl. dazu Rösler/Lang, ZIP 2006, 214, 215) jede Veränderung des Referenzzinses auch zu einer Veränderung des Vertragszinses führt.

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht den Angaben der Beklagten folgend eine Veränderung des Referenzzinses von 0,1 Prozentpunkten als maßgeblichen Schwellenwert angesehen. Das Berufungsgericht hat gemeint, eine Anpassung bei einem Schwellenwert von 0,01%, wie sie von der Klägerin geltend gemacht wird, sei untunlich, weil beide Seiten ein Interesse daran hätten, dass erst eine Veränderung des Zinssatzes von einer gewissen Erheblichkeit zu einer Änderung des Vertragszinses führe, um nicht laufend den Zinssatz ändern zu müssen, was dann zur Unübersichtlichkeit der Abrechnung führe. Diese Ausführungen beachten nicht, dass es bei der üblichen Zinsberechnung mittels elektronischer Datenverarbeitung ohne weiteres möglich ist – wie bei Zinsgleitklauseln – jede Veränderung des Referenzzinssatzes exakt und ohne größeren Aufwand nachzuvollziehen. Dass in der Literatur ein Schwellenwert von 0,1 Prozentpunkten als angemessen angesehen wird, mag bei der Inhaltskontrolle einer entsprechenden Klausel von Bedeutung sein, besagt aber nichts für die Frage, was die Parteien in Kenntnis der Vertragslücke vereinbart hätten. Hierzu ist in erster Linie auf die vertraglichen Abreden abzustellen, soweit sich ihnen ein Hinweis auf den Parteiwillen entnehmen lässt. Die streitgegenständliche Zinsänderungsklausel sieht vor, dass jede Veränderung des dort genannten – unzulässigen – Referenzzinssatzes auch zu einer Anpassung des Vertragszinses führen sollte. Es ist daher interessengerecht, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung davon auszugehen, dass jede Veränderung des Referenzzinses ohne Erreichen einer bestimmten Anpassungsschwelle zu einer Veränderung des Vertragszinses führt. Da der den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank zu entnehmende Referenzzins monatlich veröffentlicht wird, ist es sachgerecht, die Vereinbarung monatlicher Anpassungen anzunehmen.

cc) Die Zinsänderung muss ferner das Äquivalenzprinzip beachten. Nach diesem darf die Bank das Grundgefüge eines Vertragsverhältnisses durch die Zinsänderung nicht zu ihren Gunsten verändern, sondern muss insbesondere auch für den Kunden günstige Anpassungen vornehmen (vgl. Senat, BGHZ 180, 257, Tz. 32; Senatsurteile vom 4. Dezember 1990 – XI ZR 340/89WM 1991, 179, 182 und vom 12. Oktober 1993 – XI ZR 11/93WM 1993, 2003, 2004 f.). Entscheidend ist dabei die Relation zu vergleichbaren Produkten am Markt, das heißt, das Verhältnis des konkret vereinbarten Zinses zum Referenzzins muss gewahrt bleiben, nicht aber eine gleich bleibende Gewinnmarge (vgl. Schimansky, WM 2003, 1449, 1452).

Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft – dem von ihm bestellten Sachverständigen folgend – seiner Berechnung einen gleich bleibenden Abstand des Vertragszinses zum Referenzzins sowohl bei Zinssenkungen als auch bei Zinserhöhungen zugrunde gelegt. Eine Klausel, in der ausdrücklich angegeben ist, dass die Zinsänderung in dieser Weise erfolgen soll, mag zwar gegebenenfalls der Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB standhalten. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung kann diese Berechnungsmethode vorliegend aber nicht zugrunde gelegt werden, da sie nicht dem beiderseitigen Interesse der Parteien entspricht. Der immer gleiche Abstand zum Referenzzins führt zu einer Sicherung der anfänglichen Marge in absoluten Prozentpunkten über die gesamte Vertragslaufzeit und kann, wenn der Referenzzins stark fällt, im Extremfall dazu führen, dass der Vertragszins unter Null fällt, also theoretisch eine Zinszahlungspflicht des Kunden an die Bank entstünde. Auch wenn günstige Zinskonditionen grundsätzlich günstig bleiben müssen und ungünstige auch ungünstig bleiben dürfen, so ist eine absolute Margensicherung oder gar das Entfallen eines Zinsanspruchs bzw. die Umkehr eines Zahlungsanspruchs in eine Zahlungspflicht nicht interessengerecht. Die im S-Sparvertrag enthaltene ursprüngliche Regelung sah die Maßgeblichkeit des jeweils gültigen Zinses vor, was gegen eine derartige statische Margensicherung oder gar das Absinken des Zinsanspruchs ins Negative spricht. Vielmehr ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung davon auszugehen, dass die Parteien die Beibehaltung des anfänglichen relativen Abstandes des Vertragszinses zum Referenzzins über die gesamte Vertragslaufzeit vereinbart hätten. Dieser relative Abstand gewährleistet zum einen, dass der Vertragszins immer den gleichen prozentualen Abstand zum Referenzzins beibehält und so das Grundgefüge der Vertragskonditionen über die gesamte Laufzeit beibehalten wird, also ein günstiger Zins auch günstig bleibt. Zum anderen verhindert die Maßgeblichkeit des prozentualen Abstandes zwischen Vertragszins und Referenzzins die Verstetigung einer absoluten Gewinnmarge und das Absinken des Vertragszinses auf Null oder ins Negative.

dd) Aus der beiderseits interessengerechten ergänzenden Vertragsauslegung folgt, dass eine Begrenzung des Zinsänderungsrechts bzw. der Zinsänderungspflicht der Beklagten durch ihr Neukundengeschäft vorliegend nicht vorzunehmen ist. Der Bundesgerichtshof hat für das Kreditgeschäft ausgesprochen, eine Bank dürfe bei zulässigen oder gebotenen Zinsänderungen im Regelfall ihre Bestandskunden nicht schlechter behandeln als Neukunden, denen sie Kredite dieser Art und Größenordnung gewähre, so dass sie bei Zinsänderungen den nunmehr allgemein von ihr verlangten „Normalzins“ einhalten müsse (vgl. BGHZ 97, 212, 223; Schimansky WM 2003, 1449, 1452). Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, welche Bedeutung dieser Aussage außerhalb der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB bei der Inhaltskontrolle von Zinsänderungsklauseln im Kreditgeschäft nach § 307 BGB beizumessen ist und ob sie auf das Einlagengeschäft einer Bank übertragen werden kann. Denn durch die Maßgeblichkeit des relativen Abstandes von Vertragszins zum Referenzzins wird vorliegend eine unzumutbare Benachteiligung der Klägerin gegenüber Neukunden vermieden, so dass es keiner Begrenzung der Zinsänderung durch den jeweils von der Beklagten an Neukunden gezahlten „Normalzinssatz“ bedarf.

III.

Das Berufungsurteil ist demnach im Umfang der Anfechtung aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache gemäß den vorstehenden Ausführungen nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

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