Zu geringe Kollisionsgeschwindigkeit: Versicherung verweigert Schmerzensgeld

Verkehrsunfall mit HWS Distorsion

HWS-Distorsionen gehören zu den häufigsten Unfallverletzungen, die nach einem Autounfall auftreten können.

Bei der HWS-Distorsion, welche auch Whiplash-Syndrom oder Schleudertrauma genannt wird, kommt es zu Verletzungen der Bänder und Muskeln an der Halswirbelsäule, wenn durch einen Aufprall des Fahrzeuges (egal ob aktiv oder passiv) der Kopf nach vorne und hinten geschleudert wird.

In manchen Fällen weigern sich die Kfz-Haftpflichtversicherungen jedoch trotz Vorlage eines Arztberichts ein Schmerzensgeld zu zahlen. Dabei kann das Schmerzensgeld auch bei einer leichten HWS Distorsion im niedrigen dreistelligen Bereich liegen.

Die gegnerische Versicherung behauptet aber, dass die Kollisionsgeschwindigkeit zu gering gewesen sei, als dass eine HWS-Distorsion vorliegen könnte. Zusätzlich wird der Verletzte noch darauf hingewiesen, dass er die Beweislast trage, dass der Unfall tatsächlich kausal für die Verletzung gewesen sei. 

Beweislast einer HWS-Distorsion

Unter Beweislast versteht man, dass der Geschädigte zunächst vortragen, und bei Zweifeln am Vortrag nachweisen muss, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch vorliegen. Im Falle eines Verkehrsunfalles muss er also nachweisen können, dass die Voraussetzungen des § 7 StVG gegeben sind. Dieser besagt:

„Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

Sie müssen also Folgendes vortragen und beweisen können:

  1. Gesundheitsverletzung: Hier eine HWS-Distorsion die Sie durch einen Arzt haben feststellen lassen.
  2. Bei Betrieb eines versicherten Fahrzeuges: Es muss zu einem Unfall bei Betrieb des Fahrzeuges des Gegners gekommen sein.
  3. (Haftungsbegründende) Kausalität: Die HWS-Distorsion muss auch kausal auf dem Verkehrsunfall beruhen. Das ist der Fall, wenn der Unfall nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die HWS-Distorsion entfällt.
 

Und dieser Nachweis der Kausalität wird von der Gegenseite dann angegriffen. Die Versicherung behauptet also: „Es kann ja sein, dass Sie an einer HWS-Distorsion leiden. Aber die beruht gar nicht auf dem Unfall mit dem von uns versicherten Fahrzeug. Das müssen Sie erstmal beweisen!“

Es liegt zwar der Gedanke nahe, dass die Verletzung auf dem Unfall beruht. Aber es könnte natürlich auch sein, dass Sie am Tag zuvor bereits einen Unfall hatten, der zur HWS-Distorsion geführt hat.

In solchen Fällen streitet die Rechtsprechung des BGH für Sie:

Die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Richters erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“[…]  sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet. BGH, Urteil vom 8. 7. 2008 – VI ZR 274/07

Dies bedeutet, dass es genügt, dass am Tag des Unfalles der Verletzte zu seinem Hausarzt gegangen ist, und dort eine HWS-Distorsion sicher diagnostiziert wurde. Hier ist die Objektivierung der Verletzung ganz entscheidend. Wenn dann zusätzlich die Aussage des Verletzten hinsichtlich des Unfallhergang plausibel ist und die Diagnose der HWS-Distorsion mitträgt, reicht dies als Nachweis für die Kausalität aus

Zu geringe Kollisionsgeschwindigkeit für eine HWS-Distorsion?

Wie oben bereits beschrieben, entsteht eine HWS-Distorsion dadurch, dass der Kopf bei einem Aufprall in einem Fahrzeug geschleudert wird.

Natürlich macht die Geschwindigkeit hierbei einen großen Unterschied: Je geringer die Geschwindigkeit der kollidierenden Fahrzeuge, desto weniger wird der Kopf nach vorne und hinten geschleudert.

Die gegnerische Versicherung behauptet Ihnen gegenüber also, dass der Aufprall zu schwach war, als dass hierdurch eine HWS-Distorsion hätte entstehen können. Diese Annahme ist jedoch rechtlich und tatsächlich unzutreffend:

Es gibt keine Geschwindigkeitsgrenze, bei der eine HWS-Distorsion nicht mehr auftreten könnte. Das Landgericht Bonn formulierte beispielhaft hierzu:

„Aus medizinischer und biomechanischer Sicht gibt es keine gesicherten traumatotechnischen Grenzwerte, unterhalb derer Verletzungen an der Halswirbelsäule ausgeschlossen werden können.“  [LG Bonn, Urteil vom 01. August 2002 – 6 S 408/00]

Natürlich kann es durchaus der Fall sein, dass bei einem Autounfall aufgrund von geringer Aufprallgeschwindigkeit nicht zu einer HWS-Distorsion kommt. Wenn aber ein Arzt eine HWS-Distorsion unmittelbar nach dem Unfall objektivierend feststellt, streitet dies für den Standpunkt, dass die gegnerische Versicherung zahlen muss.

Teilweise bringt die gegnerische Versicherung vor, dass die äußeren Schäden am Fahrzeug darauf schließen lassen, dass es zu keiner hinreichend Kollisionsgeschwindigkeit gekommen ist. Je nachdem, welcher Teil des Autos vom Aufprall in Mitleidenschaft gezogen wurden, haben diese aber vollständig unterschiedliche Absorbationsfähigkeiten:

Manche Teile der Karosserie sind eher dafür geeignet, Aufprallenergieabzufedern“, andere verschieben sich eher und sind direkt verbogen. Eine generelle Aussage, welche Beschädigung der Karosserie auf eine HWS-Distorsion schließen lässt, kann also nicht getroffen werden.

Fazit

Lassen Sie sich nicht einschüchtern, wenn die gegnerische Versicherung mit großen Worten um sich wirft, um Ihren Anspruch abzustreiten. Besser ist es, sich für solche Hilfe einen juristischen Experten an die Seite zu holen. Wir von VINQO helfen Ihnen bei der Durchsetzung von Schmerzensgeldern nach einem Verkehrsunfall, und schützen Sie vor Kürzungstricks der gegnerischen Versicherung. Dabei entsteht für Sie keinerlei Kostenrisiko! Und das sogar dann, wenn Sie ein Mitverschulden am Unfall trifft.

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