Für Unternehmen ist die effektive Rechtsverteidigung – auch vor Gericht – dann problematisch und risikobehaftet, wenn dabei Geschäftsgeheimnisse berührt werden – etwas sensible Umsatzzahlen oder technische Zeichnungen.
Geheim vor Gericht: Das GeschGehG
§ 16 Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) ermöglicht es, z.B. im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen oder sonstigen zivilprozessualen Verfahrens eigene Geschäftsgeheimnisse zu schützen:
„§ 16 Geheimhaltung
(1) Bei Klagen, durch die Ansprüche nach diesem Gesetz geltend gemacht werden (Geschäftsgeheimnisstreitsachen) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag einer Partei streitgegenständliche Informationen ganz oder teilweise als geheimhaltungsbedürftig einstufen, wenn diese ein Geschäftsgeheimnis sein können.
(2) Die Parteien, ihre Prozessvertreter, Zeugen, Sachverständige, sonstige Vertreter und alle sonstigen Personen, die an Geschäftsgeheimnisstreitsachen beteiligt sind oder die Zugang zu Dokumenten eines solchen Verfahrens haben, müssen als geheimhaltungsbedürftig eingestufte Informationen vertraulich behandeln und dürfen diese außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens nicht nutzen oder offenlegen, es sei denn, dass sie von diesen außerhalb des Verfahrens Kenntnis erlangt haben.
(3) Wenn das Gericht eine Entscheidung nach Absatz 1 trifft, darf Dritten, die ein Recht auf Akteneinsicht haben, nur ein Akteninhalt zur Verfügung gestellt werden, in dem die Geschäftsgeheimnisse enthaltenden Ausführungen unkenntlich gemacht wurden.“
Stuft das zuständige Gericht die im Prozess eingeführten Unterlagen als geheimhaltungsbedürftig ein, ist es den Parteien außerhalb des Verfahrens untersagt, die Informationen zu verwenden oder offenzulegen.
Doch wann ist eine Information ein Geschäftsgeheimnis und wie sieht die Durchsetzung im Prozess aus?
Beispiel LAG BaWü
In dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 13. Mai 2022 – 7 Sa 4/22 – hat das Gericht eine praxisnahe Entscheidung hinsichtlich der Frage gefällt, wann Dokumente als geheimhaltungsbedürftig eingestuft werden können.
Streitpunkt waren im Prozess verwendete Informationen der Klägerseite über Techniker- und Vertriebssitzungen sowie Umsatzzahlen und Umsatzentwicklungen, deren weitere Verbreitung durch die Einstufung als geheimhaltungsbedürftig i.S.d. § 16 I GeschGehG verhindert werden sollte.
In diesem speziellen Fall wurden bestimmte Dokumente der Klägerin, die einiger ihrer Ordner enthielt, als geheimhaltungsbedürftig eingestuft.
Der entschiedene Fall betrifft die sofortige Beschwerde der Klägerin hinsichtlich der Einstufung bestimmter Dokumente als geheimhaltungsbedürftig.
Das Gericht stellte klar, dass für die Einstufung als Geschäftsgeheimnis, die Informationen einen geschäftlichen Bezug aufweisen müssen. Sie dürfen nicht allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich sein. Zudem müssen sie von wirtschaftlichem Wert sein und der Inhaber muss an ihrer Geheimhaltung interessiert sein.
Das Urteil hebt hervor, dass die Implementierung angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen ein wichtiger Aspekt ist, um das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses zu begründen. Die Maßnahmen müssen situations- und geheimnisabhängig angemessen sein. Es wird nicht ein optimaler Schutz, sondern ein angemessener Schutz verlangt.
Wie geheim muss geheim sein?
Aus Arbeitgeber- bzw. Unternehmenssicht besonders interessant:
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg legt die Systematik des GeschGehG unternehmensfreundlich aus.
Denn während § 20 Abs. 3 GeschGehG vorschreibt, dass das Geschäftsgeheimnis glaubhaft machen müsse und damit strengere Anforderungen als § 16 Abs. 1 GeschGehG aufstelle, müsse die Vorschrift richtlinienkonform ausgelegt werden. § 20 Abs. 3 GeschGehG sei so zu verstehen, dass die Möglichkeit, die Information als Geschäftsgeheimnis einzuordnen, ausreiche. Nach Art. 9 I der Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (EU RL 2016/943) reiche es zur Annahme der Geheimhaltungsbedürftigkeit nämlich aus, wenn es sich um ein „angebliches Geschäftsgeheimnis“ handele.
Einordnung
Geschäftsgeheimnisse – bzw. angebliche – müssen wirkungsvoll auch in Klageverfahren geschützt werden können, ohne das Bedürfnis der effektiven Rechtsverteidigung zu beeinträchtigen.
Das LAG hat die Entscheidung des erstinstanzlichen Arbeitsgerichts (ArbG) gehalten und auf die sofortige Beschwerde des Klägers nicht aufgehoben.
Für Arbeitgeber
Der Schutz eigener Geschäftsgeheimnisse wird erstaunlich häufig übersehen oder ignoriert. Dabei zeigt der Beschluss noch einmal praxisnah, dass die Anforderungen an die Einordnung als Geschäftsgeheimnis sehr weit zu verstehen sind, wenn
- die Information nicht bereits öffentlich ist oder
- die Behauptung eines Geschäftsgeheimnisses rechtsmissbräuchlich ist.
Voraussetzung ist jedoch, dass die Informationen bzw. Unterlagen hinreichend geschützt worden sind.
Arbeitgeber sollten daher sorgfältig überlegen, welche Informationen als Geschäftsgeheimnisse eingestuft werden können und angemessene Maßnahmen zur Wahrung dieser Geheimnisse ergreifen.
Denn reicht der bisherige Schutz der Informationen aus, wird die Behauptung eines Geschäftsgeheimnisses nicht hinreichend dargelegt werden können. Gleichzeitig sind nicht überzogene Anforderungen zu stellen.
Mit der Einordnung stellt die Geschäftsführung bzw. der Vorstand des beteiligten Unternehmens nicht nur sicher, dass eigene Sorgfaltspflichten an den wirksamen Schutz von Unternehmensinformationen gewahrt werden, die weiteren Verfahrensbeteiligten dürfen die Informationen nicht anderweitig verwenden und damit „mittelbare Verhandlungsmasse“ aufbauen.
Zudem wird häufig übersehen, wie häufig die Akteneinsicht in derartige Verfahren erfolgt: Regressstellen wie Krankenkassen oder Rechtsschutzversicherer mit eigenem Akteneinsicht gelangen so auch an sensibelste Geschäftsinformationen, wenn eine Einstufung nach § 16 GeschGehG vergessen wurde.
Für Arbeitnehmer
Für Arbeitnehmer besteht die Verpflichtung, die von ihrem Arbeitgeber festgelegten Geheimhaltungsmaßnahmen strikt einzuhalten. Verstöße gegen diese Maßnahmen können zu schwerwiegenden (arbeitsrechtlichen) Konsequenzen führen.
Zusätzlich hat das Gericht die andauernde Pflicht zur Geheimhaltung der entsprechenden Informationen auch nach Beendigung des Gerichtsverfahrens gemäß § 18 GeschGehG bestätigt. Auch hier sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer dazu angehalten, alle Maßnahmen zu beachten, um Geschäftsgeheimnisse effektiv zu schützen.