Amtsgericht Coburg
Az.: 14 C 3378/21
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
Legal Data Technology GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer Tim Platner, Heinz-Fang-man-Straße 2-6, 42287 Wuppertal
– Klägerin –
Prozessbevollmächtigte:
XXXXXXXXXXX
gegen
HUK-COBURG-Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand, Bahnhofsplatz, 96450 Coburg, Gz.: XXXXXXXXXXX
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigter:
XXXXXXXXXXX
wegen Forderung
erlässt das Amtsgericht Coburg durch den Richter XXXXX am 07.01.2022 aufgrund des Sachstands vom 06.01.2022 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 159,94 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.10.2021 zu zahlen.
- Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 159,94 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die gem. § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG für den Bereich der Inkassodienstleistungen bei dem OLG Düsseldorf als Rechtsdienstleister registrierte Klägerin betreibt die Verbraucherplattform „VINQO.DE“, auf der sie Geschädigten die außergerichtliche Geltendmachung und Durchsetzung von Schadensersatzsansprüchen anbietet. Die Parteien streiten über die Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten, die durch die Geschädigte XXXX XXXXXXX, welcher die Klägerin mit der außergerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus einem Haftpflichtschadensfall vom 21.05.2021 gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden Fahrzeugs beauftragte, an die Klägerin abgetreten wurden. Die geltend gemachten Ansprüche wurden von der Beklagten außergerichtlich in voller Höhe (837,79 €) reguliert.
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Rechtsverfolgungskosten aus §§ 7 Abs. 1,17 Abs. 1, StVG, 249 BGB, 115 WG, 398 BGB aus abgetretenem Recht.
1.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
Die Forderungsabtretung ist zunächst nicht wegen Verstoßes gegen das Verbot der Erbringung unerlaubter Rechtsdienstleistungen gem. § 134 BGB iVm. § 2 Abs. 1, 3, 5, 10 RDG nichtig.
Auch wenn die zu dieser Problematik ergangenen Urteile des BGH vom 27.11.2019 (Az. VIII ZR 285/18) und 08.04.2020 (Az. VIII ZR 130/19) nicht die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus Haftpflichtschadensfällen zum Gegenstand haben, sind die festgestellten Grundsätze zum Umfang der gesetzlichen Erlaubnis gem. § 3 RDG auch in diesem Fall anwendbar und führen zur Überzeugung des Gerichts dazu, dass die Klägerin außergerichtliche Rechtsdienstleistungen erbringt, die von der, ihr aufgrund der Registrierung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 RDG erteilten Erlaubnis, Inkassodienstleistungen zu erbringen, gedeckt ist.
Der BGH stellt insofern in seinem Urteil vom 27.11.2019 (Az. VIII ZR 285/18) fest, dass der Begriff der Rechtsdienstleistung in Gestalt der Inkassodienstleistung (Forderungseinziehung) gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG, die ein im Rechtsdienstleistungsregister eingetragener Inkassodienstleister nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG erbringen darf, unter Berücksichtigung der vom Gesetzgeber mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz – in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – verfolgten Zielsetzung einer grundlegenden, an den Gesichtspunkten der Deregulierung und Liberalisierung ausgerichteten, die Entwicklung neuer Berufsbilder erlaubenden Neugestaltung des Rechts der außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen nicht in einem zu engen Sinne zu verstehen ist. Vielmehr ist – innerhalb des mit diesem Gesetz verfolgten Schutzzwecks, die Rechtssuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 RDG) – eine eher großzügige Betrachtung geboten (im Anschluss an BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2002 – 1 BvR 423/99, NJW 2002, 1190 und BVerfG, Beschluss vom 14. August 2004 – 1 BvR 725/03, NJW-RR 2004, 1570 [jeweils zum RBerG]).
Für die auf dieser Grundlage vorzunehmende Beurteilung, ob sich die Tätigkeit eines registrierten Inkassodienstleisters innerhalb seiner Inkassodienstleistungsbefugnis gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG hält, lassen sich keine allgemeingültigen Maßstäbe aufstellen. Erforderlich ist vielmehr stets eine am Schutzzweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes orientierte Würdigung der Umstände des Einzelfalls einschließlich einer Auslegung der hinsichtlich der Forderungseinziehung getroffenen Vereinbarungen. Dabei sind die Wertentscheidungen des Grundgesetzes in Gestalt der Grundrechte der Beteiligten sowie der Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen und ist den Veränderungen der Lebenswirklichkeit Rechnung zu tragen (im Anschluss an BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2004 – 1 BvR 1807/98, NJW 2004, 672; BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2002 – 1 BvR 423/99, NJW 2002, 1190, 1191 f.; BVerfG, Beschluss vom 14. August 2004 – 1 BvR 725/03, NJW-RR 2004, 1570 und BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1997-1 BvR 780/87, BVerfGE 97, 12, 32 [jeweils zum RBerG]).(Rn.109)
Überschreitet hiernach ein registrierter Inkassodienstleister seine Inkassodienstleistungsbefugnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, kann darin ein Verstoß gegen § 3 RDG liegen. Ein solcher Verstoß hat, wenn die Überschreitung bei einer umfassenden Würdigung der Gesamtumstände aus der objektivierten Sicht eines verständigen Auftraggebers des Inkassodienstleisters zum einen eindeutig vorliegt und zum anderen unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Rechtsdienstleistungsgesetzes in ihrem Ausmaß als nicht nur geringfügig anzusehen ist, die Nichtigkeit nach § 134 BGB der zwischen dem Inkassodienstleister und dessen Auftraggeber getroffenen Inkassovereinbarung einschließlich einer in diesem Zusammenhang erfolgten Forderungsabtretung zur Folge (Anschluss an und Fortführung von BGH, Urteile vom 30. Oktober 2012 – XI ZR 324/11, NJW2013, 59 Rn. 34 ff.; vom 11. Dezember 2013 – IV ZR 46/13, NJW2014, 847 Rn. 31; vom 21. Oktober 2014 – VI ZR 507/13, NJW2015, 397 Rn. 5; vom 11. Januar 2017 – IV ZR 340/13, VersR 2017, 277 Rn. 34 und vom 21. März 2018 – VIII ZR 17/17, NJW2018, 2254 Rn. 18; BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2002 – 1 BvR 423/99, NJW2002, 1190, 1192).
Von einer Nichtigkeit nach § 134 BGB ist danach insbesondere dann regelmäßig auszugehen, wenn der registrierte Inkassodienstleister Tätigkeiten vornimmt, die von vornherein nicht auf eine Forderungseinziehung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG, sondern etwa auf die Abwehr von Ansprüchen gerichtet sind oder eine über den erforderlichen Zusammenhang mit der Forderungseinziehung hinausgehende Rechtsberatung zum Gegenstand haben oder wenn das „Geschäftsmodell“ des Inkassodienstleisters zu einer Kollision mit den Interessen seines Auftraggebers führt.
Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert (§ 2 Abs. 1 RDG). Unabhängig davon ist nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (Inkassodienstleistung), stets eine Rechtsdienstleistung. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 RDG dürfen natürliche und juristische Personen sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die – wie die Klägerin – bei der zuständigen Behörde registriert sind (registrierte Personen), aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen in bestimmten, in dieser Vorschrift bezeichneten Bereichen erbringen. Hierzu gehören gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG Inkassodienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RDG).
Nach § 3 RDG ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur „in dem Umfang zulässig“, in dem sie durch das Rechtsdienstleistungsgesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Insbesondere die Formulierung „in dem Umfang“ deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber die Fälle, in denen ein Erlaubnistatbestand erfüllt ist, nicht generell, sondern nur insoweit aus dem Anwendungsbereich des Verbotstatbestands des § 3 RDG herausnehmen wollte, als sich die konkret zu beurteilende Rechtsdienstleistung in den Grenzen des jeweiligen Erlaubnistatbestands hält.
Nach dem Urteil des BGH vom 27.11.2019 (Az. VIII ZR 285/18) hat indes nicht jede – auch geringfügige – Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG) ohne weiteres stets auch die Nichtigkeit der auf die Verletzung des Rechtsdienstleistungsgesetzes gerichteten Rechtsgeschäfte nach § 134 BGB zur Folge. So kann es Fälle geben, bei denen die Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis so geringfügig ist, dass noch nicht einmal ein Verstoß gegen § 3 RDG vorliegt. Daneben kann es Fälle geben, bei denen ein solcher Verstoß zwar vorliegt, aber aufgrund einer verfassungsgemäßen Auslegung und Anwendung des § 134 BGB jedenfalls eine Nichtigkeit der diesem Verstoß zugrunde liegenden Rechtsgeschäfte aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (vgl. hierzu BVerfG, NJW2002, 1190, 1192) nicht angenommen werden kann. So wird die Annahme einer Nichtigkeit nach § 134 BGB im Falle einer Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG in der Regel voraussetzen, dass die Überschreitung bei einer – in erster Linie dem Tatrichter obliegenden – umfassenden Würdigung der Gesamtumstände aus der objektivierten Sicht eines verständigen Auftraggebers eindeutig vorliegt und unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Rechtsdienstleistungsgesetzes, die Rechtssuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 RDG), in ihrem Ausmaß als nicht nur geringfügig – etwa auf Randbereiche beschränkt – anzusehen ist. Der genannten Eindeutigkeit der Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis bedarf es dabei auch deshalb, um nicht dem Kunden, insbesondere bei schwieriger Rechtslage, das Risiko dieser Einschätzung aufzubürden.
Die hier gegenständliche Tätigkeit der Klägerin bewegt sich im Rahmen der zulässigen Inkassodienstleistung gem. § 2 RDG und ist von der nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG bestehenden Befugnis der Klägerin, als registrierte Person Rechtsdienstleitungen im Bereich der Inkassodienstleistungen zu erbringen, gedeckt.
Vor dem Hintergrund, dass maßgebend für diese Beurteilung insbesondere die durch den Gesetzgeber mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz verfolgte Zielsetzung einer grundlegenden, an den Gesichtspunkten der Deregulierung und Liberalisierung ausgerichteten Neugestaltung des Rechts der außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen ist, mit der der Gesetzgeber an die zuvor bereits in diese Richtung weisende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anknüpfen, diese umsetzen, fortführen und hierbei zugleich den Deregulierungsbestrebungen der Europäischen Kommission im Bereich des freien Dienstleistungsverkehrs Rechnung tragen wollte (vgl. BT-Drucks. 16/3655, S. 1, 26 ff., 42; siehe auch BT-Plenarprotokoll 16/118, S. 12256, 12257 f.), ist eine Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin nicht erkennbar.
Nach der in der Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG enthaltenen Legaldefinition ist eine Inkassodienstleistung die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird. Ist eine Person gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG bei der zuständigen Behörde für den Bereich der Inkassodienstleistungen registriert, darf sie aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen in diesem Bereich erbringen.
Die Klägerin verfügt über eine solche Registrierung und betreibt die Geltendmachung von Ansprüchen der vorliegenden Art als eigenständiges Geschäft im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG. Ein eigenständiges Geschäft im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die Forderungseinziehung innerhalb einer ständigen hauptberuflichen oder nebenberuflichen Inkassotätigkeit oder außerhalb einer solchen nicht lediglich als Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit erfolgt. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, da die Klägerin die hier in Rede stehende Verfolgung von Schadensersatzansprüchen innerhalb ihrer ständigen hauptberuflichen (Inkasso-)Tätigkeit betreibt.
Die von der Klägerin für die Geschädigte im vorliegenden Fall erbrachten Tätigkeiten sind als Inkassodienstleistungen gemäß dieser Bestimmung anzusehen, da sie letztlich auf die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen ausgerichtet sind (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RDG).
Da nach Maßgabe des Urteils des BGH vom 27.11.2019 (Az. VIII ZR 285/18) zur Beurteilung, ob sich die gegenständliche Tätigkeit im Rahmen der Befugnis bewegt, eine am Schutzzweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes, die Rechtssuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 RDG), orientierte Würdigung der Umstände des Einzelfalls einschließlich einer Auslegung der hinsichtlich der Forderungseinziehung getroffenen Vereinbarungen ist, sind auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes zu berücksichtigen. Folglich sind die Grundrechte der Beteiligten – namentlich zum einen die Berufsausübungsfreiheit des Inkassodienstleisters (Art. 12 Abs. 1 GG) und zum anderen die zugunsten des Kunden zu berücksichtigende Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG), die – bereits entstandene – schuldrechtliche Forderungen umfasst (BVerfG, NJW2001, 2159 f. mwN) – sowie der Grundsatz des Vertrauensschutzes (vgl. hierzu BVerfG, NJW 2002, 1190, 1192; BVerfGE 143, 246 Rn. 268, 372; BVerfG, NVwZ 2017, 702 Rn. 19; jeweils mwN) in den Blick zu nehmen und ist hierbei auch den Veränderungen der Lebenswirklichkeit Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, NJW 2004, 672; NJW 2002, 1190, 1191 f.; NJW-RR 2004, 1570, 1571; BVerfGE 97, 12, 32; [jeweils zum RBerG]; BT-Drucks. 16/3655, S. 37 f., 47; vgl. auch BGH, Urteile vom 30. Oktober 2012 – XI ZR 324/11, aaO Rn. 11 ff.; vom 21. März 2018 – VIII ZR 17/17, aaO Rn. 20 ff.).
Zur Inkassodienstleistung gehört eine auf die Forderungseinziehung bezogene rechtliche Beratung des Gläubigers.
Die hier zu beurteilenden Tätigkeiten der Klägerin dienen der Einziehung der den Unfallgeschädigten entstandenen Haftpflichtschäden.
Dem Inkassodienstleister ist grundsätzlich auch eine umfassende rechtliche Forderungsprüfung und eine substantielle Beratung des Kunden über den Forderungsbestand gestattet (BVerfG, Beschluss 20.02.2002, NJW 2002,1190). Zur Begründung hat das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Mit der Rechtsberatung im Sinne des Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG sei grundsätzlich die umfassende und vollwertige Beratung der Rechtsuchenden, wenn auch nur in einem bestimmten – in Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 RBerG genannten – Sachbereich gemeint. Der Erlaubnisvorbehalt für Inkassounternehmer flankiere denjenigen für die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, einschließlich der Rechtsberatung. Er diene dazu, die mit dem geschäftsmäßigen Forderungseinzug einhergehende besondere Form der Rechtsbesorgung und Rechtsberatung in den Schutzzweck des Rechtsberatungsgesetzes einzubeziehen (BVerfG, Be-schluss 20.02.2002, NJW 2002,1190). Zu der einem solchen Inkassounternehmen gestatteten Rechtsberatung gegenüber seinem Kunden gehört auch die Äußerung von Rechtsansichten gegenüber dem Schuldner nach Erhebung von Einwendungen. Diese rechtliche Qualifizierung des Geschäftsgegenstandes, für die der Inkassounternehmer seinem Mandanten gegenüber Verantwortung trage, bleibe Teil seiner erlaubten Rechtsbesorgung und werde nicht etwa zum Rechtsrat gegenüber dem Schuldner (BVerfG, NJW-RR 2004, 1570, 1571).
Nach diesen Grundsätzen ist nicht zu erkennen, dass die Klägerin mit ihrer Tätigkeit ihre Befugnis überschreitet.
Die Klägerin ist auch durch wirksame Abtretung Forderungsinhaberin geworden und damit aktivlegitimiert.
a)
Die Klägerin hat die Einwilligung in die wirksamen einbezogenen AGB zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen. So legt die Klägerin schlüssig dar, dass die Schadensmeldung systembedingt nur dann möglich ist, wenn die AGB der Klägerin über eine entsprechende Bestätigung akzeptiert werden und andernfalls keine Anmeldung möglich ist und damit kein Vertrag zustande kommt. Dieser Vortrag wird in einer für das Gericht nachvollziehbaren Weise durch die als Anlage K6 vorgelegte Darstellung des Melde- und Einwilligungsprozesses bei VINQO bestätigt. Auf der dortigen Abbildung auf Seite 2 der Anlage K6 ist erkennbar, dass die Einwilligung in die AGB ein Pflichtfeld darstellt. Nachdem die Vertragsanbahnung als solche über die Plattform VINQO unstreitig ist, ist das Gericht davon überzeugt, dass die AGB durch die nachgewiesene Einwilligung der Zedentin XXXXXXX vom 12.08.2021, um 13:15 Uhr, (vergleiche Anlage K7) wirksam einbezogenen sind. Mit Erklärung vom 09.10.2021 bestätigt die Zedentin erneut unterschriftlich die Abtretung des hier gegenständlichen Anspruchs. Angesichts dessen war kein Zeugenbeweis über die Einbeziehung der AGB zu erheben. Die formularmäßige Abtretung an Erfüllung statt begegnet hier zudem keinen rechtlichen Bedenken.
b)
In diesen AGB der Klägerin heißt es unter anderem in Punkt 11.1.:
„Zwischen dem Verwender und dem Kunden wird eine Erfolgshonorarvereinbarung geschlossen. Die Erfolgsbeteiligung, die – soweit nicht anders angegeben – 15 % beträgt, beschränkt sich auf Schmerzensgeldansprüche im Rahmen der außergerichtlichen Anspruchsdurchsetzung. Der Prozentsatz beinhaltet die jeweils geltende Mehrwertsteuer. Für die gerichtliche Durchsetzung mithilfe unser Partnerkanzlei kann eine abweichende Erfolgs-beteiligung vereinbart werden.
Wir erhalten für unsere Tätigkeit unbeschadet der Ziffer 1 die Vergütung, die gem. § 4 RDGEG i.V.m RVG analog beansprucht werden kann. Dieser muss von der Gegenseite im Erfolgsfall erstattet werden.
Mit Einwilligung in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird der Kostenanspruch in Höhe des gem. § 4 RDGEG i.V.m. RVG analog zu beanspruchenden Betrages aufschiebend bedingt zum Zeitpunkt der Mandatsübernahme erstrangig und unerfüllt gegen Schädiger, Halter, Haftpflichtversicherer und Dritte aus dem gemeldeten Schadensereignis an uns an Erfüllung statt abgetreten. Wir nehmen die Abtretung mit Mandatsannahme an. Soweit der Anspruchsgegner die Zahlung des Vergütungsanspruchs unberechtigt verweigert, setzen wir diesen gerichtlich in eigenem Namen und auf eigene Rechnung durch.“
aa)
Aus den AGB ergibt sich zunächst die Vereinbarung des hier streitgegenständlichen erfolgsunabhängigen Honorars, welches sich analog RVG ermitteln lässt. Insoweit bedurfte es aus den soeben ausgeführten Darlegungen zur Einbeziehung der AGB keines Zeugenbeweises durch Vernehmung der Zedentin.
bb)
Die Beklagte kann mit ihrer Auffassung nicht durchdringen, wonach infolge des – aus den AGB ersichtlichen – Nebeneinanders von erfolgsabhängigen und erfolgsunabhängigen Honorar die zulässige Vergütung eines Rechtsanwalts überschritten werde und dadurch die hier streitgegenständliche erfolgsunabhängige Vergütungsvereinbarung unwirksam sei.
Für die Vergütung eines registrierten Erlaubnisinhabers gilt gem. §§ 4 RDGEG i.V.m. § 13d RDG das RVG entsprechend. Dabei ist ein Erfolgshonorar gem. § 13d Abs. 2 Satz 2 RDG nur in den nach RVG geregelten Fällen des RVG – mithin nach § 4a RVG – zulässig.
Selbst wenn das – hier nicht streitgegenständliche – Erfolgshonorar als solches oder (erst) wegen der Verbindung mit dem erfolgsunabhängigen Honorar unwirksam sein sollte, so führt dies nach § 4b RVG nicht zur Nichtigkeit des Vertrages als solchen, sondern nur dazu, dass keine höhere als die gesetzliche Vergütung verlangt werden kann. Demzufolge wird § 134 BGB von § 4b RVG verdrängt. Eben diese gesetzliche Vergütung entspricht aber im vorliegenden Fall dem erfolgsunabhängigen Honorar, welches sich gem. § 4 RDGEG i.V.m RVG analog bemisst. Mit anderen Worten ist das erfolgsunabhängige Honorar – welches der Abtretung vom 09.10.2021 und der Klage zugrunde liegt – in jedem Fall geschuldet.
c)
Die Klägerin hat Anspruch auf Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 159,94 €.
Der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch umfasst grundsätzlich auch den Ersatz der durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (Senat NJW 2017, 3588 Rn. 6; NJW 2006, 1065; NJW 2005, 1112 = VersR 2005, 558 [559]; BGHZ 127, 348 [350] = NJW 1995, 446; BGH NJW 2015,147 BGH: Berücksichtigung von Großkundenrabatten bei fiktiver Schadensabrechnung(NJW2020, 144) 3447 Rn. 55) hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Auch dabei ist gemäß dem Grundsatz der subjektbezogenen Schadensbetrachtung Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten zu nehmen (vgl. Senat NJW2017, 3527 Rn. 10; NJW2012, 2194 = DAR 2012, 387 Rn. 8; NJW-RR 2007, 856 Rn. 10, jew. mwN). An die Voraussetzungen des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es kommt darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt. Ist die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derart klar, dass aus Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger (oder dessen Haftpflichtversicherer) ohne Weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen werde, so wird es grundsätzlich nicht erforderlich sein, schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Schädiger oder dessen Versicherer einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen (vgl. Senat NJW-RR 2007, 856; NJW 2005, 1112 = VersR 2005, 558 [559]; BGHZ 127, 348 [351 f.] = NJW 1995, 446). In derart einfach gelagerten Fällen kann der Geschädigte grundsätzlich den Schaden selbst geltend machen, so dass sich die sofortige Einschaltung eines Rechtsanwalts nur unter besonderen Voraussetzungen als erforderlich erweisen kann, etwa wenn der Geschädigte aus Mangel an geschäftlicher Gewandtheit oder sonstigen Gründen wie Krankheit oder Abwesenheit nicht in der Lage ist, den Schaden selbst anzumelden (Senat BGHZ 127, 348 [352] = NJW 1995, 446; NJW-RR 2007, 856; BGH NJW 2015, 3447 Rn. 55).
Diese Grundsätze gelten entsprechend für die Heranziehung eines Inkassodienstes.
Vorliegend handelte es sich, auch nach dem Vortrag der Beklagten, um einen komplexen Verkehrsunfall, sodass aus Sicht des Geschädigten die Beauftragung der Klägerin zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war. Die Rechtsverfolgungskosten sind daher bis zur Deckelung durch entsprechende RVG-Gebühren erstattungsfähig.
Die Klägerin machte unstreitig für den Geschädigten 837,79 € erfolgreich geltend, sodass sich ausgehend von einer 1,3 Geschäftsgebühr und einer Auslage für Post- und Telekommunikation von 20 € sowie 19 % Umsatzsteuer ein entsprechender Kostenerstattungsanspruch gem. § 4 RDGEG i.V.m. RVG VV analog in Höhe von 159,94 € ergibt. Die Erhebung einer 1,3 Mittelgebühr ist vorliegend für die durchschnittliche Tätigkeit nicht zu beanstanden.
Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.
1.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
2.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.