[VIDEO] Ist cheaten in Videospielen jetzt illegal?

Mit Cheats verschaffen sich Gamer häufig einen planwidrigen Vorteil gegenüber anderen Spielern oder innerhalb einer vorgeplanten Storyline des Videospiels.

Dass die Verwendung von Cheats zu Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen als „Spielregeln“ führen und zu „Bans“ führen kann, ist das eine. Problematisch wird es aber, wenn fernab der Fantasiewelt ganz reale Klagen der Videospielgiganten gegen das Cheaten eingereicht werden und die man nicht mit einer simplen Tastenkombination austricksen kann.

Erste Entscheidung in den USA 

Einige Anbieter ermöglichen das Cheating in solchen Videogames erst und werden von Sony wegen Urheberrechtsverletzungen verklagt. 

Dies ist einem kleinen Drei-Mann-Unternehmerin, der Betreiberin der Webseite Aimjunkies.com passiert, die für das Videospiel Destiny 2 Cheats verkauft und damit rund $ 65.000,00 USD eingenommen haben.

Doch statt klein beizugeben, legte diese sich mit Bungie, inzwischen aufge-kauft von Sony, an – und verlor, zumindest einstweilen in erster Instanz.

Die Jury folgte Bungie und der Theory einer Urheberrechtsverletzung und er-kannte knapp $ 63.000 USD zu.

Auch Klage in Deutschland

Doch wie sieht das in Deutschland aus?

Die gute Nachricht vorab, das Urteil aus den USA hat keine rechtliche Wirkung für deutsche Nutzer.

Die schlechte: eine finale Entscheidung steht noch aus. Aber es gibt bereits eine deutliche Tedenz, wie in Deutschland die Rechtslage ist.

Klage in Sachen „Action Replay“

Denn Sony hat auch in Deutschland zu ähnlichen Fällen geklagt, dort zu einem PSP-Cheat-Anbieter. So heißt es zum Sachverhalt des BGH, Beschluss vom 23.02.2023, Az. I ZR 157/21 („Action Replay”):

„Die Softwareprodukte der Beklagten funktionieren ausschließlich mit den Originalspielen der Klägerin. Die Ausführung der Software der Beklagten erfolgt dergestalt, dass die PSP mit einem PC verbunden und in die PSP ein Memory Stick eingelegt und mit der Software der Beklagten beschrieben wird. Nach dem Neustart der PSP kann der Nutzer auf der Spielkonsole einen zusätzlichen Menüpunkt „Action Replay“ aufrufen, über den Veränderungen an den einzelnen Spielen der Klägerin vorgenommen werden können. Darunter sind beispielsweise beim Spiel „Motorstorm Arctic Edge“ die Optionen „Infinite Turbo“ und „All Drivers available“, die dazu führen, dass künftige Beschränkungen beim Einsatz des „Turbos“ („Booster“) entfallen oder nicht lediglich ein Teil der Fahrer verfügbar ist, sondern auch schon der Teil, der ansonsten erst beim Erreichen bestimmter Punktzahlen freigeschaltet werden würde.“

Das Landgericht (LG Hamburg, Urteil vom 24. Januar 2012 – 310 O 199/10, juris) hat die Beklagten zu 2 und 3 nach den Hauptanträgen verurteilt, die Beklagte zu 1 lediglich zur Unterlassung gemäß dem ersten Hilfsantrag. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. 

Das Berufungsgericht (OLG Hamburg, GRUR 2022, 483) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen sowie auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Einschätzung des BGH 

Der Bundesgerichtshof (BGH) in dem Fall selbst noch nicht entscheiden können. Allerdings führt der BGH aus: 

„Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts entfalten die Softwareprodukte der Beklagten ihre Wirkung, indem sie das Laden des Programms in den Arbeitsspeicher unangetastet lassen, aber das Ablaufenlassen der Programme durch Veränderung von – dem Spiel grundsätzlich bekannten – Variablen beeinflussen. Es werden nicht die Befehle im Arbeitsspeicher selbst, sondern nur die (variablen) Daten verändert, die die Spielesoftware bei ihrer Ausführung im Arbeitsspeicher ablegt.
Dies hat zur Folge, dass die Befehle des Spiels auf Grundlage anderer Werte ausgeführt werden als sie bei regulärer Ausführung des Spiels zu diesem Zeitpunkt entstanden wären. Die Werte selbst sind indessen dem Spiel bekannt. Auch unter Einsatz der Software der Beklagten laufen die Spiele also stets wie programmiert ab. Bestimmte im Spiel erzeugte Daten (z.B. der Verbrauch des Turbo) werden jedoch im Arbeitsspeicher durch die Softwareprodukte der Beklagten mit Werten, die auch das Spiels selbst kennt und interpretieren kann, überschrieben. Dem Programm wird damit ein Zustand vorgespiegelt, der im regulären Spielbetrieb zwar eintreten kann und damit programmimmanent ist, allerdings eben nicht bei dem jeweiligen Spielstand eintreten würde.“

Der BGH betont dabei bereits in seinem Beschluss ausdrücklich:

„Bereits der Wortlaut „Umarbeitungen“ spricht – wie auch der in der englischen Sprachfassung verwendete Begriff „alteration“ – dafür, dass eine Einwirkung auf den Quell- oder Objektcode erforderlich ist und eine bloße Beeinflussung etwaiger variabler Funktionsergebnisse, die im Zuge des Ablaufs des Programms generiert werden, nicht ausreicht.“

Allerdings hat der BGH wegen der Auslegung europarechtlicher Vorschriften die Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. 

EuGH wird entscheiden 

Der EuGH hat in der Rechtssache C‑159/23 „Sony Computer Entertainment Europe Ltd gegen Datel Design and Development Ltd, Datel Direct Ltd, JS“ auf die Vorlagefrage des BGH ebenfalls, wenn auch etwas eingeschränkter, die Frage zu beantworten, ob das „klassische“ Cheating eine urheberrechtlich geschützte Veränderung des Programmcodes darstellt.

Eine Entscheidung steht noch aus. Allerdings hat der Generalanwalt hierzu bereit umfangreich Stellung genommen:

Aus der Sachverhaltsdarstellung geht allerdings hervor, dass diese Parameter durch die in Rede stehende Software von Datel nicht verändert werden. Was sich ändert, ist der Wert der Variablen, d. h. der Daten, die in diesen Speicherstellen des Computers abgelegt werden und die das Programm von Sony dann berücksichtigt, um gemäß den in seinem Code verankerten Anweisungen verschiedene Aufgaben auszuführen.

Mit dem Begriff „Inhalt von Variablen“ meint das vorlegende Gericht daher notwendigerweise den Wert der Variablen. Die erste Frage betrifft daher die Problematik, ob die Richtlinie 2009/24 es dem Inhaber des Urheberrechts an einem Computerprogramm erlaubt, sich dagegen zu wehren, dass der Wert der Variablen, der während des Ablaufs dieses Programms im Speicher des Computers abgelegt wird, aufgrund des Betriebs eines anderen Programms gegenüber dem Wert geändert wird, der allein aufgrund des Betriebs des erstgenannten Programms festgehalten worden wäre.

Diese Frage muss meiner Meinung nach aus mehreren Gründen verneint werden.

  • Erstens sind die Werte von Variablen kein Bestandteil des Codes eines Computerprogramms
  • Zweitens erfüllt der Wert der Variablen nicht das Kriterium der Individualität nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2009/24, da er keine eigene geistige Schöpfung des Urhebers des Programms darstellt. Bei Programmen wie den Videospielen von Sony ist der Wert der in Rede stehenden Variablen nämlich das Ergebnis des Spielverlaufs und damit letztlich das Ergebnis des Verhaltens des Spielers. Es ist zwar richtig, dass der Urheber die Kategorien von Variablen, die gespeichert werden, sowie die Regeln, nach denen ihr Wert im Verlauf des Spiels bestimmt wird, entworfen hat. Dieser Wert selbst entzieht sich jedoch der kreativen Kontrolle des Urhebers, da er notwendigerweise von Faktoren abhängt, die im Voraus nicht vorhersehbar sind, wie z. B. dem Verhalten des Spielers. Der genannte Wert kann daher keinen urheberrechtlichen Schutz genießen.
  • Drittens hat, wie auch die Kommission feststellt, der Wert der vom Programm erzeugten Variablen nur vorübergehenden, temporären und vorläufigen Charakter, da er sich während der Ausführung des Programms ändern kann und bei der nächsten Ausführung des Programms häufig auf null zurückgesetzt wird.

Mir scheint jedoch, dass Sony mit den Begriffen „Spielerlebnis“, „Programmablauf“, „Verwirklichung der Ausdrucksform“ des Programms oder auch „Spielregeln“ eigentlich die Funktionsweise des Programms oder die Ideen und Grundsätze, die diesem Programm zugrunde liegen, im Blick hat. Sony räumt in seiner Stellungnahme im Übrigen ein, dass im vorliegenden Fall die Änderung von Variablen die Funktionsweise des Programms betreffe und dass die Änderung einer Variablen einem Eingriff in den Programmablauf gleichkomme.

Ich bin daher der Ansicht, dass es unter Berücksichtigung sowohl des Wortlauts der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2009/24 als auch der einschlägigen Rechtsprechung(25) keine Verletzung des Urheberrechts an einem Computerprogramm darstellt, wenn ein rechtmäßiger Nutzer dieses Programms bei der Nutzung des Programms und ohne Änderung des Programmcodes die Funktionsweise dieses Programms in einer Weise verändert, die nicht den Absichten seines Urhebers entspricht, und zwar unabhängig davon, ob dies mit oder ohne Hilfe von Drittanbietersoftware geschieht. In gleicher Weise kann der Autor eines Kriminalromans dem Leser nicht verbieten, zum Ende des Romans zu springen, um herauszufinden, wer der Mörder ist, auch wenn dies den Spaß am Lesen verderben und die Bemühungen des Autors, die Spannung aufrechtzuerhalten, zunichtemachen würde. Der von Sony geforderte Schutz ist im Übrigen illusorisch: Ein Spieler kann schlicht nicht wollen oder nicht in der Lage sein, im Spiel auf die von seinem Urheber erdachte Weise voranzukommen, und das Spiel wird nicht wie vorgesehen verlaufen. Würde man dann auch von einem Eingriff in die Rechte des Rechteinhabers sprechen?

Schließlich behauptet Sony – und hier scheint mir der springende Punkt zu liegen –, dass Datels Programm „auf dem Programm [von Sony] in parasitärer Weise [aufsetzt]“. Hierzu ist jedoch zu bemerken, dass dieses Argument eher auf eine Frage des Rechts des unlauteren Wettbewerbs gerichtet ist. Was hingegen das Urheberrecht betrifft, so schützt dieses zwar vor Nachahmung und Piraterie, aber keineswegs davor, das Werk eines anderen als Grundlage für die eigene Schöpfung zu verwenden, solange das geschützte Werk nicht unrechtmäßig vervielfältigt wird.

Deshalb schlägt der Generalanwalt vor, die Richtlinie so auszulegen, dass

„sich der durch diese Richtlinie nach dieser Bestimmung gewährte Schutz nicht auf den Inhalt von Variablen erstreckt, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher des Computers angelegt hat und die es im Ablauf dieses Programms verwendet, wenn ein anderes Programm, das zur gleichen Zeit wie das geschützte Computerprogramm abläuft, diesen Inhalt verändert, ohne dass der Objektcode oder der Quellcode des letztgenannten Programms verändert wird.“

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