Neuer Name, alte Forderung. Die vermeintlichen Forderungen der von Philipp Hoffmann geführten 1N Telecom GmbH sollen von einer neu gegründeten Gesellschaft, der in Essen ansässigen „TPI Investment GmbH“ aufgekauft worden sein. Diese von Dr. Thomas Peter gegründete Gesellschaft weist auf ihrer Webseite aus, dass sie u.a. Forderungen aufkaufe. Dem Anschreiben beigefügt ist eine Liste an amtsgerichtlichen Entscheidungen, die zugunsten der 1N Telecom GmbH – der Zedentin der Forderungen – ergangen sein sollen. Hiermit soll der Druck auf vermeintliche Kunden erhöht werden, die behaupte Forderung zu zahlen.
Abtretung nicht bewiesen
Was die TPI Investment GmbH indes nicht darlegt, ist die behauptete Abtretung. Das Forderungsschreiben kann mangels Vorlage der Abtretungsurkunde im Original schon deshalb zurückgewiesen werden. Das Schreiben ist schon deshalb als gegenstandlos zu betrachten.
Durch zitierte Urteile nicht verunsichern lassen
Die TPI Investment GmbH möchte den Bestand der vermeintlichen Forderung auf eine Reihe von erstinstanzlichen Urteilen stützen, die nur wenige Sätze zitiert werden. Ob diese rechtskräftig sind, wird nicht mitgeteilt. Daneben betreffen die Ausschnitte nur einen spezifischen Problembereich:
Forderungen, bei denen tatsächlich ein Bestellformular zurückgesandt worden ist und das hinterher widerrufen oder angefochten worden ist.
Betroffene führen jedoch auch an, nie ein solches Formular zurückgesandt und dennoch mit einer Forderung der 1N Telecom GmbH konfrontiert worden zu sein. Auf diese Fälle sind die Urteile nicht anwendbar.
Daneben gibt es abweichende Rechtsprechung. So führte das AG Leipzig (VuR 2025, 153) beispielsweise aus:
„Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg, da sie nicht begründet ist. Entgegen der unzutreffenden Rechtsauffassung der Klägerin ist zwischen den Prozessparteien der von ihr behauptete Vertrag nicht zustande gekommen, vielmehr ist der betagten Beklagten offenbar unter Vortäuschung einer Vertragsbeziehung der Klägerin zur Deutschen Telecom AG ein für die Beklagte unbrauchbarer und überflüssiger zweiter Festnetzvertrag untergeschoben wurden.
Aus den zur Akte gelangten Vertragsunterlagen (…) ist klar erkennbar, dass nach dem Willen der Beklagten der alte Vertrag bestehen bleiben sollte und sie diesen weiterhin nutzen möchte. Das Gericht geht nicht davon aus, dass die Beklagte einen weiteren Festnetzvertrag abschließen und bezahlen wollte.
Vor diesem Hintergrund kam es auch nicht zur von der Klägerin erwarteten Portierung der Telefonnummer. Ein Schadenersatzanspruch scheidet schon deshalb aus, weil nach der Papierform der Unterlagen, die zur Akte gelangt sind, ein tatsächlicher Vertragswillen, der die Klägerin und die Beklagte binden sollte, jedenfalls von der Beklagten nicht ausdrücklich zum Ausdruck gebracht worden ist. Vielmehr ist ihr Vortrag mindestens widersprüchlich, was dadurch zum Ausdruck kommt, dass sie ihren alten Vertrag trotz des vermeintlich neuen Vertragsschlusses mit der Klägerin bestehen lassen und weiternutzen wollte.“
BGH-Entscheidung gegen 1N Telecom GmbH
Was die TPI Investment GmbH in ihrem Forderungsschreiben vom 11.07.2025 übersehen hat, ist die am Vortag ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (III ZR 59/24), in der der BGH explizit feststellt, dass der Verweis auf die im Internet abrufbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unzulässig ist:
„Bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung der Klausel stellt die darin enthaltene Bezugnahme auf die unter der Adresse www.1n.de/agb abrufbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine dynamische Verweisung dar, mit der nicht nur die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unter der Internetadresse hinterlegten Vertragsbedingungen der Beklagten in den Vertrag einbezogen werden sollen, sondern auch alle etwaig geänderten Fassungen, die zukünftig von der Beklagten unter der Adresse in das Internet eingestellt werden. Diese Auslegung kann der Senat selbst vornehmen, da Allgemeine Geschäftsbedingungen wie revisible Rechtsnormen zu behandeln und infolgedessen von dem Revisionsgericht frei auszulegen sind
…
Diesen Anforderungen genügt die angegriffene Klausel in der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung nicht. Sie lässt jedwede Konkretisierung der Gestaltungsmöglichkeiten der Beklagten vermissen. Vor allem gewährt sie der Be-klagten ein uneingeschränktes Änderungsrecht, das es dieser ermöglicht, die vereinbarten Vertragsbedingungen nach Vertragsschluss zum Nachteil ihrer Ver-tragspartner abzuändern, ohne hierfür an irgendwelche Voraussetzungen gebunden zu sein. Für die Vertragspartner der Beklagten ist weder vor noch nach Ver-tragsschluss vorhersehbar, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Um-fang sie mit zusätzlichen Belastungen zu rechnen haben. Durch diese Unklarheit werden sie unangemessen benachteiligt, insbesondere, weil sie bei Vertrags-schluss nicht beurteilen können, ob der Vertragsschluss für sie günstig ist (vgl. BeckOGK/Eckelt, BGB [1. Januar 2024], § 307 Rn. 125.1; Staudinger/Wendland, BGB [Neubearbeitung 2022], § 307 Rn. 175).“
Die so einbezogenen Vertragsbedingungen sind damit nicht wirksam in den vermeintlichen Vertrag einbezogen worden, die 1N Telecom GmbH und auch die vermeintliche Aufkäuferin, die TPI Investment GmbH, werden sich damit nicht erfolgreich auf Regelungen aus den AGB berufen können.
Alle Einwände auch gegen TPI Investment
Rechtlich ist der Aufkauf der streitbehafteten Forderungen wenig sinnvoll. Denn sämtliche Einwände gegen die vermeintliche Forderung der 1N Telecom GmbH lassen sich auch weiter gegen die TPI Investment GmbH anführen. Diese hat als Aufkäuferin rechtlich erhöhte Erkundigungspflichten bei der 1N Telecom GmbH zu den jeweiligen Vorgängen, bevor sie etwas behaupten bzw. bestreiten darf.
Forderung der TPI Investment widersprechen?
Wenn kein Vertrag mit der 1N Telecom GmbH abgeschlossen wurde, gibt es auch keine abtretungsfähige Forderung, die von der TPI Investment GmbH geltend gemacht werden kann. Hinzu kommen noch formale Hürden durch die vermeintliche Abtretung. Betroffene können der Forderung somit schon aus formalen Gründen widersprechen.
Eine beispielhafte Formulierung kann wie folgt aussehen:
„Sehr geehrter Herr Dr. Peters,
unter Bezugnahme auf Ihr Schreiben vom 11.07.2025 wird die Forderung bereits mangels Vorlage der Abtretungsurkunde zurückgewiesen (§ 409 Abs. 1 S. 2, 410 Abs. 1 BGB). Sie wollen die Abtretungsurkunde im Original übersenden.
Sie führen Ihr Schreiben als Inkassovorgang. Eine Inkassodienstleistung ist gem. § 2 Abs. 2 RDG legaldefiniert und erfordert eine behördliche Zulassung gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG, die nicht ersichtlich, im Falle einer treuhänderischen Abtretung jedoch erforderlich ist. Zur Vermeidung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen fordere ich Sie auch insoweit zur Vorlage der Abtretungsurkunde auf.
Daneben werden sämtliche Einwände gegen die Forderung, die bereits der Zedentin gegenüber erhoben worden sind, wiederholt. Die Forderung besteht nicht. Strafrechtliche Maßnahmen behalte ich mir vor, denn Sie sind als Zessionarin bei streitbehafteten Forderungen verpflichtet, den Bestand der Forderung zu prüfen.
Zuletzt fordere ich Sie zur unbeschränkten Auskunft gem. Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO auf. Sie haben sämtliche Unterlagen unverzüglich in Kopie kostenfrei zu überlassen. Andernfalls werde ich aufsichtsrechtliche Maßnahmen veranlassen.
Mit freundlichen Grüßen“