Ein gutes Beispiel, weshalb sich Arbeitgeber in arbeitsgerichtlichen Verfahren anwaltlich vertreten lassen sollten, zeigen die Auswüchse des Beschwerdeverfahrens vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg (26. Kammer), Beschluss vom 28.11.2023 – 26 Ta 1198/23.
Dort wurde ein Arbeitgeber zu einem Ordnungsgeld – und ersatzweise 4 Tage Ordnungshaft (!) – verurteilt, weil er das Arbeitszeugnis nach einem arbeitsgerichtlichen Prozess nicht ordnungsgemäß ausstellte.
Was geschah oder: Konflikte bis zuletzt
Dem Beschwerdeverfahren vor dem LAG ging ein eher kurioser, jedoch in emotional belasteten Konflikten im Arbeitsrecht nicht ganz ungewöhnlicher Sachverhalt voraus:
Im Rahmen des Kündigungsschutzverfahren haben sich die Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem 30. September 2022 geeinigt. Der Arbeitgeber hat sich verpflichtet, der Arbeitnehmerin ein Zeugnis zu erteilen. Die Arbeitnehmerin soll danach berechtigt sein, einen Zeugnisentwurf zu übersenden, von dem der Arbeitgeber nur aus wichtigem Grund abweichen dürfe.
Der Arbeitgeber – ein „Facharzt für Urologie und Andrologie, zugleich Arzt für Medikamentöse Tumortherapie“ – hatte sich im Rahmen eine Vergleichs im Kündigungsschutzverfahren
Der Arbeitgeber trat noch einmal mit dem Zeugnis nach:
- Das Zeugnis wurde ohne Briefkopf erstellt und wirkt damit für zukünftige Arbeitgeber wie ein Entwurf.
- Das Zeugnis enthielt einen Zusatz „i.A. des Arbeitsgerichts, Berlin 15.05.2023“ und machte damit deutlich, dass er sich dieses nicht zu eigen machte
- Das Zeugnis enthielt zur Bekräftigung noch den Zusatz „Zeugnis erstellt durch Rechtsanwältin …“
Neben Anwürfen von Straftaten gegen die Rechtsanwältin der Arbeitnehmerin folgten die „bekannten“ Drohungen, sich an Presse & Co zu wenden.
Zeugnis oder Haft
Das ArbG Berlin, Beschluss vom 09.10.2023 – 42 Ca 9481/22 erließ einen Ordnungsgeldbeschluss:
1.000,00 € Ordnungsgeld kostete dem Arzt das renitente Verhalten. Zu Recht, wie das LAG feststellte:
Dem werden die durch den Geschäftsführer des Arbeitgebers unterzeichneten Schriftstücke nicht gerecht. Die „Arbeitszeugnisse“ genügen bereits in formeller Hinsicht den im Geschäftsleben üblichen Mindestanforderungen nicht. D
Dazu zählt jedenfalls, dass ein Arbeitszeugnis mit einem ordnungsgemäßen Briefkopf ausgestaltet sein muss, aus dem der Name und die Anschrift des Ausstellers erkennbar sind. Da im Berufszweig der Schuldnerin üblicherweise im geschäftlichen Verkehr Firmenbögen verwandt werden und die Schuldnerin einen solchen besitzt und benutzt, ist ein Zeugnis nicht ordnungsgemäß ausgestellt, wenn es nur mit einer Unterschrift des Geschäftsführers versehen ist. Unter diesen Umständen wird ein Zeugnis auch nicht als ordnungsgemäß im vorbezeichneten Sinne ausgestellt angesehen, wenn es nur mit einem Firmenstempel und nicht mit dem Briefkopf der Schuldnerin versehen ist (vgl. BAG 3. März 1993 – 5 AZR 182/92, Rn. 13 bei juris) (LAG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 28.11.2023 – 26 Ta 1198/23, BeckRS 2023, 34410 Rn. 16, beck-online).
Dass ein solches Ordnungsgeld als Zwangsmaßnahme beantragt und festgesetzt werden konnte, verdankt die Arbeitnehmerin in diesem Fall einer präzisen Vergleichsklausel:
Häufig werden Klauseln wie
„Der Arbeitgeber erstellt ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis, das der Schulnote „gut“ entspricht“.
in arbeitsgerichtlichen Vergleichen aufgenommen. Dabei sind nicht nur Rechtsschutzmöglichkeiten bei Streitigkeiten über den Inhalt des Zeugnisses eingeschränkt, ein nicht oder nicht ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitszeugnis kann bei derartigen Klauseln auch nur schwerlich vollstreckt werden.
Ein Vergleich, der den Arbeitgeber zur Erteilung eines Zeugnisses verpflichtet, dessen Inhalt einer bestimmten Notenstufe entspricht, genügt nicht den zwangsvollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen (BAG 14. Februar 2017 – 9 AZB 49/16 – Rn. 11).
Anders als bei der Verpflichtung, ein Zeugnis gemäß einem Entwurf des Arbeitnehmers zu erteilen (vgl. hierzu BAG 9. September 2011 – 3 AZB 35/11 – Rn. 15 ff.; LAG Hamm 14. November 2016 – 12 Ta 475/16 – zu II 2 b bb der Gründe), lässt die Vereinbarung einer bestimmten Notenstufe dem Arbeitgeber einen derart weiten Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Auswahl und Gewichtung einzelner Gesichtspunkte, des Umfangs des Zeugnistextes sowie der Formulierung der Leistungs- und Führungsbeurteilung, dass von einem konkreten Leistungsbefehl, der die Grundlage einer mit staatlichen Zwangsmitteln zu vollziehenden Vollstreckung bildet, nicht die Rede sein kann (BAG 14. Februar 2017 – 9 AZB 49/16 – Rn. 11).
(ArbG Berlin Beschl. v. 9.10.2023 – 42 Ca 9481/22, BeckRS 2023, 34411 Rn. 11, beck-online)
Fazit
Wenn der Briefkopf fehlt, kann im schlimmsten Fall tatsächlich Ordnungshaft drohen. Dass dies auf einer erkennbar trotzige Haltung des Arbeitgebers – der den Vergleich hinsichtlich des Zeugnisses mit verhandelte – zurückzugehen, steht dabei für sich. Aber auch davon unabhängig lassen sich für Arbeitgeber und Arbeitnehmer wichtige Ableitungen treffen:
Für Arbeitgeber
Arbeitgeber sollten arbeitsgerichtliche Konflikte möglichst früh in anwaltliche und damit auch emotional unbelastete Hände geben.
Dabei sollte die Zeugnisklausel entweder so formuliert werden, dass sie nicht vollstreckbar sind und damit Ordnungshaft oder Ordnungsgeld grundsätzlich nicht festgesetzt werden können.
Gelingt dies nicht, muss jedenfalls die ordnungsgemäße Ausfertigung eines Zeugnisses sichergestellt werden. Denn andernfalls kann mit kurzer Frist die Zwangsvollstreckung drohen.
Für Arbeitnehmer
Arbeitnehmer müssen mit einer exakt formulierten Zeugnisklausel sicherstellen, dass diese auch vollstreckbar ist. Dies gelingt mit einer Vorlageklausel durch den Arbeitnehmer hinreichend bestimmt und stellt sicher, dass Arbeitnehmer nicht monatelang auf Arbeitszeugnisse warten müssen.