Sachverhalt
Insgesamt drei Versionen musste eine Arbeitgeberin für eine ehemalige Assistentin der Geschäftsführung erstellen. Der dritte Entwurf landete schließlich vor Gericht: Zwar hatte das Unternehmen die Änderungswünsche der früheren Beschäftigten berücksichtigt, aber dafür die – in den ersten beiden Varianten noch enthaltene – Dankesformel gestrichen. Der Grundsatz der Zeugniswahrheit verbiete es ihr, so die Firma, eine derartige Schlussformel weiter zu verwenden, wenn sich „ihr subjektives Empfinden“ nach der Erteilung des Zeugnisses geändert habe.
Streitig war, ob die vormalige Assistentin einen rechtlichen Anspruch auf die in den ersten Versionen noch aufgenommene Dankesformel hat.
Bundesarbeitsgericht: Dank bleibt Dank.
Die begehrte Gruß- und Dankesklausel musste durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden werden. Diese urteilte grundsätzlich gegen einen Anspruch auf Erteilung einer Gruß- oder Dankesklausel in einem Arbeitszeugnis, so z.B. mit BAG Urt. v. 25.1.2022 – 9 AZR 146/21 (LAG Düsseldorf Urt. v. 12.1.2021 – 3 Sa 800/20):
- Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, ein Arbeitszeugnis mit einer Schlussformel zu versehen, in der er dem Arbeitnehmer für die geleistete Arbeit dankt und ihm für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg wünscht. Ein solcher Anspruch lässt sich weder unmittelbar aus § 109 I GewO noch aus einer verfassungskonformen Auslegung dieser Vorschrift noch aus der Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 II BGB herleiten
- Eine sogenannte Dankes- und Wunschformel trägt nur unwesentlich zur Erreichung des Zeugniszwecks als Beurteilungsgrundlage für künftige Arbeitgeber bei. Sie bringt Gedanken und Gefühle des Arbeitgebers zum Ausdruck, die weder Rückschlüsse auf die Art und Weise, in der der Arbeitnehmer die ihm übertragenen Aufgaben erledigt hat, noch auf dessen für das Arbeitsverhältnis wesentlichen Charaktereigenschaften und Persönlichkeitszüge zulassen
- Durch eine verpflichtende Aufnahme einer Dankes- und Wunschformel als integraler Bestandteil eines qualifizierten Zeugnisses würde die durch Art. 5 I 1 GG gestützte negative Meinungsfreiheit des Arbeitgebers beeinträchtigt, weil er verpflichtet wäre, innere Gedanken über und seine Gefühle für den aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmer zu äußern.
Im zu entscheidenden Fall lag jedoch eine Besonderheit vor:
Der Arbeitgeber hatte bereits einmal eine Dankesklausel erteilt und diese in der letzten Version wieder zurückgenommen.
Das BAG entschied in diesem Fall deshalb mit Urteil vom 6.6.2023 – 9 AZR 272/22 (Leitsätze von Wolfgang Gundel = ZAT 2023, 174, beck-online):
- Begehrt ein Arbeitnehmer berechtigt, das ihm erteilte Zeugnis abzuändern, darf der Arbeitgeber den Zeugnisinhalt nur dann zum Nachteil des Arbeitnehmers abändern, wenn sachliche Gründe ein Abweichen rechtfertigen. Andernfalls verstößt er gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot.
- Hat der Arbeitgeber jedoch, ohne Rechtspflicht, eine sog. Dankes- und gute Wünscheformel erteilt, so gilt das Maßregelungsverbot auch für die nachteilige Änderung der Dankes- und gute Wünscheformel.
- Auch ohne die Anwendung des Maßregelungsverbotes wäre ebenso zu entscheiden. Der Arbeitgeber ist bei allen einmal erteilten Wissenserklärungen eines Zeugnisses an diese gebunden, sog. Grundsatz der Selbstbindung. Eine Änderung erfordert stets einen sachlichen Grund, der dem Arbeitgeber nach der Erteilung des Zeugnisses mit der darin enthaltenen Wissenserklärung bekannt geworden ist und die Änderung objektiv trägt.
- Über die Bindung an die einmal erteilte Wissenserklärung hinaus, ist ein Arbeitgeber auch an die einmal erteilte, rechtlich nicht geschuldete, Dankes- und gute Wünscheformel gebunden.
- Der Grundsatz der Selbstbindung gilt nicht nur für eine einmal erteilte Zeugnisbewertung, sondern auch im Verhältnis der Dauer eines zuvor erteilten Zwischenzeugnisses zu einem zeitlich folgenden Endzeugnis, mit der Folge, dass eine abweichende Beurteilung eines sachlichen Grundes bedarf.
Ausweitung der Selbstbindung des Arbeitgebers
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat bereits in der Vergangenheit die Selbstbindung des Arbeitgebers an erteilte Zeugnisse betont.
Ein Arbeitgeber kann unter zwei Voraussetzungen ein einmal erteiltes Arbeitszeugnis wieder korrigieren
- Wenn ihm nach Erteilung des Zeugnisses / Zwischenzeugnisses oder nach einer Änderung Umstände bekannt werden, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen und
- er die nachträglichen Umstände darlegen und beweisen kann.
Es muss also eine beweisbare Änderung der Umstände vorliegen, die für die Erteilung des Zeugnisses relevant gewesen sind. Dies gelte auch für eine schrittweise Überarbeitung des Zeugnisses durch den Arbeitgeber.
Der Arbeitnehmer kann also in Verhandlungen um das Zeugnis durch eine geschickte Verhandlungsstrategie schrittweise ein besseres Zeugnis erwirken, ohne ein vollständiges Zurückfallen auf eine schlechtere Version zu fürchten oder Risiken einzugehen.
Dies ist aus Arbeitgebersicht zu berücksichtigen. Bei der Erstellung und Ausfertigung eines Arbeitszeugnisses muss gedanklich berücksichtigt werden, dass im Zweifel jede positive Formulierung durch die Selbstbindung des Arbeitgebers „in Stein gemeißelt“ ist.