Anzumerken bleibt, dass die Beklagte sich ja ebenfalls digitaler Produkte zur Schadensregulierung bedient, nämlich der Algorithmen des Dienstleisters Control Expert. Warum dann ein Verbraucher nicht auch umgekehrt einen Legal-Tech-Anbieter zur Regulierung seines Schadens einsetzen sollen darf, erschließt sich nicht.
Amtsgericht Wiesbaden
Verkündet durch Zustellung
Aktenzeichen: 93 C 2522/21 (40)
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
Legal Data Technology GmbH vertreten durch den Geschäftsführer Tim Platner, Heinz-Fangman-Straße 2-6, 42287 Wuppertal
Klägerin
Prozessbevollmächtigte: XXXXXXXXXX
gegen
R + V Allgemeine Versicherung AG vertr. d. d. Vorstand, Raiffeisenplatz 1, 65189 Wiesbaden
Beklagte
Prozessbevollmächtigter: XXXXXXXXXX
hat das Amtsgericht Wiesbaden durch den Richter am Amtsgericht XXXXXXX im vereinfachten
Verfahren nach § 495 a ZPO ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 280,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.07.2021 zu zahlen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- Der Streitwert wird festgesetzt auf: bis 500,00 Euro.
Entscheidungsgründe:
Des Tatbestandes in seiner üblichen Form bedarf es nicht, weil ein Rechtsmittel gegen das
Urteil nicht statthaft ist (§ 313 a Abs. 1 ZPO).
- Die Klägerin ist als Rechtsdienstleister beim OLG Düsseldorf registriert. Sie betreibt Legal Tech unter der Internetplattform VINQO zur (außergerichtlichen) Geltendmachung und Durchsetzung von Ansprüchen in den Bereichen Verkehrsrecht, Hundebiss, Reiserecht und Bankrecht.
Die Klägerin wurde von XXXX XXXXXX am 18.05.2021 beauftragt/bevollmächtigt, Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines von einem Versicherungsnehmer der Beklagten mit dem Pkw amtliches Kennzeichen XX-XXXX verschuldeten Fahrradunfalls vom 17.05.2021 in XXXXX bei XXXX geltend zu machen. Die Beklagte regulierte hierauf anstatt geforderter 2.250,33 Euro 1.980,53 Euro. Die Geschädigte hat der Klägerin das Mandat am 16.07.2021 bestätigt und als Vergütung neben einem Erfolgshonorar diejenige eines Rechtsanwalts als vereinbart bestätigt und an die Klägerin abgetreten (Bl. 64 d.A.).
Die Klägerin verlangt von der Beklagten nunmehr die Zahlung abgetretener außergerichtlicher
Rechtsverfolgungskosten aus dem regulierten Gegenstandswert nach § 4 RDGEG i.V.m. W RVG in Höhe von einer 1,3-Geschäftsgebühr (280,60 Euro). Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 09.07.2021 den Ersatz der Kosten für die
Rechtsdienstleistung ab.
Die Beklagte sieht – vertreten durch ihren Rechtsanwalt – einen Verstoß gegen das
Rechtsdienstleistungsgesetz und deshalb eine unzulässige Inkassodienstleistung der
Klägerin. - Die Klage ist begründet.
Die Klägerin kann für ihre Rechtsdienstleistung aus abgetretenem Recht der Geschädigten
Kosten (nur) bis zur Höhe der Vergütung als Schaden ersetzt verlangen, die einem
Rechtsanwalt für diese Tätigkeit nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes
zustehen würde (§ 13 e RDG ersetzt § 4 Abs. 5 RDGEG alte Fassung).
Das sind vorliegend außergerichtliche Kosten für die entsprechende Tätigkeit eines Rechtsanwalts für den von dem Versicherungsnehmer der Beklagten verursachten Unfall.
Das ist hier also eine Geschäftsgebühr von maximal 1,3 aus dem Gegenstandswert in Höhe von 1.980,53 Euro nach dem VV RVG. Dabei darf sich der Geschädigte bei der Schadensabwicklung eines Verkehrsunfalls auch bei eindeutigem Haftungsgrund grundsätzlich eines Rechtsanwalts bedienen (BGH, NJW 2020, 144 ff. mit Anmerkung Schulz). Vorliegend hat die Geschädigte die Klägerin als Inkassodienstleister beauftragt.
Ein Verstoß der Klägerin gegen § 134 BGB liegt nicht vor. Der Begriff Rechtsdienstleistung im Sinne der Inkassotätigkeit ist nicht in einem zu engen Sinne zu verstehen, sondern unter dem Gesichtspunkt der Deregulierung und Liberalisierung. Die Rechtssuchenden und der Rechtsverkehr sollen vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen nach dem Schutzzweck des Gesetzes geschützt werden (BGH, NJW 2020, 208 ff.; Fries, Rechtsberatung durch Inkassodienstleister: Totenglöckchen für das Anwaltsmonopol?, NJW 2020, 193 ff.).
Die Beklagte hat ganz offensichtlich keine unqualifizierte Rechtsdienstleistung erbracht, denn sonst wäre die Beklagte kaum dem Regulierungsverlangen der Klägerin für die Geschädigte nachgekommen. Die Rechtsdienstleistung der Klägerin war erfolgreich und ist dementsprechend für diese außergerichtliche Tätigkeit entsprechend dem VV RVG zu vergüten. Ein gesetzliches Verbot der von der Klägerin ausgeübten Inkassotätigkeit zum Schutz der klassischen Anwaltstätigkeit lässt sich den gesetzlichen Bestimmungen nicht entnehmen.
Anzumerken bleibt, dass die Beklagte sich ja ebenfalls digitaler Produkte zur Schadensregulierung bedient, nämlich der Algorithmen des Dienstleisters Control Expert. Warum dann ein Verbraucher nicht auch umgekehrt einen Legal-Tech-Anbieter zur Regulierung seines Schadens einsetzen sollen darf, erschließt sich nicht. Ein gesetzliches Verbot für die Inkassotätigkeit der Klägerin ist nicht ersichtlich.
Die Beklagte befindet sich seit ihrer Zahlungsverweigerung vom 09.07.2021 in Verzug (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB) und schuldet Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.