Im Konflikt zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten kann es hoch hergehen. Streitigkeiten, insbesondere in kleineren Betrieben, sind dann nicht selten persönlich-emotional geprägt.
Arbeitgeber fühlen sich von den eigenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern brüskiert, während Mitglieder des Betriebsrats versuchen, unter tatkräftiger Unterstützung von Gewerkschaften, „aus den Vollen“ zu schöpfen und sämtliche Rechte wahrzunehmen.
Was Unternehmer sehr häufig nicht wissen: die Behinderung des Betriebsrats kann sogar strafbar sein.
Dabei sind Unternehmer gegen Exzesse des Betriebsrats nicht schutzlos und können sogar dessen Auflösung erwirken. Deshalb sollten Konflikte mit dem Betriebsrat aus Arbeitgebersicht auch niemals selbst, sondern über ein verhandlungserfahrenes Team aus Rechtsanwälten (Taskforce Arbeitsrecht) gelöst werden.
Nachfolgend zeigen wir deshalb überblicksartig, wie leicht sich z.B. Geschäftsführer, leitende Angestellte oder auch Arbeitnehmer im Bezug auf den Betriebsrat strafbar machen können.
§ 119 BetrVG als Strafnorm
Die Strafnorm befindet sich nicht im Strafgesetzbesuch (StGB), sondern als Sondervorschrift unmittelbar im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
Dort heißt es zur Strafbarkeit in § 119 Abs. 1 BetrVG:
„(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- eine Wahl des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung, des Seebetriebsrats oder der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 oder 5 bezeichneten Vertretungen der Arbeitnehmer behindert oder durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflusst,
- die Tätigkeit des Betriebsrats, des Gesamtbetriebsrats, des Konzernbetriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung, des Seebetriebsrats, der in § 3 Abs. 1 bezeichneten Vertretungen der Arbeitnehmer, der Einigungsstelle, der in § 76 Abs. 8 bezeichneten tariflichen Schlichtungsstelle, der in § 86 bezeichneten betrieblichen Beschwerdestelle oder des Wirtschaftsausschusses behindert oder stört, oder
- ein Mitglied oder ein Ersatzmitglied des Betriebsrats, des Gesamtbetriebsrats, des Konzernbetriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung, des Seebetriebsrats, der in § 3 Abs. 1 bezeichneten Vertretungen der Arbeitnehmer, der Einigungsstelle, der in § 76 Abs. 8 bezeichneten Schlichtungsstelle, der in § 86 bezeichneten betrieblichen Beschwerdestelle oder des Wirtschaftsausschusses um seiner Tätigkeit willen oder eine Auskunftsperson nach § 80 Absatz 2 Satz 4 um ihrer Tätigkeit willen benachteiligt oder begünstigt.„
Damit bestehen drei Varianten der Strafbarkeit:
- Die Wahlbeeinflussung,
- Die Behinderung / Störung und
- Die Begünstigung / Benachteiligung
Wichtig dabei zu wissen: es kann sich nicht nur der Arbeitgeber, sondern jeder – sogar Mitglieder des Betriebsrats selbst – strafbar machen. Es handelt sich nicht um ein Sonderdelikt für Arbeitgeber.
Wahlbehinderung
Die Wahl des Betriebsrats kann besonders konfliktträchtig sein.
Unter den Begriff der Wahl fallen
- vorbereitende Maßnahmen, wie die Einberufung und Durchführung einer Betriebsversammlung zur Wahl des Wahlvorstands (BayObLG 29.7.1980)
- der Wahlvorgang
- die Auszählung (LG Braunschweig 28.4.1999, NStZ-RR 2000, 93).
(Richardi BetrVG/Annuß, 17. Aufl. 2022, BetrVG § 119 Rn. 12)
Die Behinderung einer Wahl ist bereits bei einer vorsätzlichen Erschwerung der Wahl gegeben. Eine solche Behinderung kann jedoch auch durch ein Unterlassen erfolgen.
Streit über Kosten
Für Arbeitgeber besonders relevant ist dabei die Kostentragungspflicht gem. § 20 Abs. 3 BetrVG für die Kosten der Wahl und der hierauf entfallenen Arbeitszeit.
Arbeitgebern ist deshalb dringend zu empfehlen, besonders bei Streitfragen über die Erforderlichkeit und Angemessenheit von Kosten im Rahmen der Betriebsratswahl einen Rechtsanwalt für Arbeitsrecht hinzuzuziehen, da der Umfang der Kostentragungspflicht allgemein weit, in den konkreten Fällen jedoch hoch streitig sein kann.
Während die Kosten für die
- Wahlurnen,
- Stimmzettel,
- Umschläge und
- Wahlkabinen
zu tragen sind (DKW/Homburg Rn. 28; ErfK/Koch Rn. 10; Fitting § 20 Nr. 36; JRH BetrVR-Praxis-HdB/Merten Kap. 3 Rn. 159; Richardi/Thüsing Rn. 36).
(BeckOK ArbR/Besgen, 70. Ed. 1.12.2023, BetrVG § 20 Rn. 12), müssen beispielsweise
- Kosten für die Wahlwerbung oder
- Kosten für Fotos der Kandidaten
nicht erstattet werden.
Streitig im Einzelfall können zudem Kosten für Schulungen oder der zeitliche Umfang der Entgeltfortzahlung sein. Vor dem Hintergrund von Strafbarkeitsrisiken muss aus Arbeitgebersicht sehr sorgfältig abgewogen werden, wie bei Streit über Kosten der Betriebsratswahl umzugehen ist.
Hierzu beraten wir Arbeitgeber mit unserer Taskforce Arbeitsrecht, um persönliche Strafbarkeitsrisiken und wirtschaftliche Risiken des Unternehmens bestmöglich reduzieren zu können.
Sonstige Beeinflussung
Weitere Maßnahmen, die als strafbare Wahlbehinderung angesehen werden können, sind beispielsweise
- die Androhung einer Kündigung wegen Beteiligung an der Wahlvorbereitung
- die Verweigerung des Zutrittsrechts eines Gewerkschaftsbeauftragten
- der Austausch von Wahlunterlagen
- die Streichung von Namen und Unterschriften aus einer im Betrieb ausgehängten Wählerliste.
Eine unzulässige Wahlbeeinflussung soll im Einzelfall auch darin liegen können, dass der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer unter Hinweis darauf, dass er sie als leitende Angestellte ansehe, zur Erhebung eines Einspruchs gegen ihre Eintragung in die Wählerliste auffordert (LAG Hamm 27.4.1972, DB 1972, 1298, LAG BW 31.5.1972, DB 1972, 1392).
Eine Behinderung durch Betriebsratsmitglieder stellt es auch dar, wenn „der amtierende Betriebsrat eine (Neu-)Wahl dadurch vorsätzlich verzögert, dass er die Betriebsvoraussetzungen in Frage stellt oder die Voraussetzungen einer außerplanmäßigen Betriebsratswahl leugnet“ (Rieble/Klebeck NZA 2006, 758 (767)) (Richardi BetrVG/Annuß, 17. Aufl. 2022, BetrVG § 119)
Behinderung oder Störung
Der Tatbestand lässt sich sprachlich sehr schnell erfüllen, sodass ein zusätzliches Kriterium durch die Rechtsprechung ergänzt worden ist:
Eine Behinderung oder Störung der Amtstätigkeit liegt nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitgeber es pflichtwidrig versäumt, den Betriebsrat in mitwirkungs- oder mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten zu beteiligen. Notwendig ist hier vielmehr das subjektive Tatbestandselement eines bewussten Beiseiteschiebens; denn nur dann kann davon die Rede sein, dass eine Behinderung oder Störung der Amtstätigkeit vorliegt, die im Wesentlichen darauf abstellen, ob die Beteiligungsrechte „wiederholt und beharrlich“ missachtet werden (Richardi BetrVG/Annuß, 17. Aufl. 2022, BetrVG § 119 Rn. 21).
Deshalb sollten Arbeitgeber nach außen rücksichtlos wirkende Maßnahmen möglichst vermeiden, um nicht den Anschein einer in Kauf genommenen Behinderung zu erwecken.
Die Verteidigung gegen den Vorwurf einer strafbaren Behinderung oder Störung ist damit argumentativ deutlich komplexer, weil der objektive Tatbestand schnell erfüllt ist und dann Wertungsfragen in den Vordergrund treten.
Arbeitgebern ist deshalb dringend dazu anzuraten, zu jedwedem Vorwurf zu schweigen und sich um eine anwaltliche Verteidigung zu bemühen.
Benachteiligung / Begünstigung
Ein rechtliches Dauerthema für Unternehmen ist die Begünstigung im Geschäftsverkehr. Die prominentesten Beispiele der Strafbarkeit gem. § 119 BetrVG betreffen ebenfalls die Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern, um so einen, dem Arbeitgeber gewogenen Betriebsrat sicherzustellen.
Es muss sich um eine vorsätzliche Benachteiligung oder Begünstigung handeln, und diese muss gerade mit Rücksicht auf die Zugehörigkeit des Betreffenden zum Betriebsrat oder einer anderen, im Gesetz aufgeführten betriebsverfassungsrechtlichen Institution erfolgen (Richardi BetrVG/Annuß, 17. Aufl. 2022, BetrVG § 119 Rn. 26).
Dabei ist das Verständnis der Begünstigung weit auszulegen. Ausreichend sind Vorteile, die über die gesetzlichen Kostenerstattungs- und Entgeltfortzahlungsanprüche hinausgehen. Es kommt strafrechtlich nicht darauf an, ob der Vorteil als sozial adäquat oder inadäquat angesehen wird. Ausreichend ist schlicht jeder im Kontext der Betriebsratstätigkeit gewährter Vorteil.
Auch hier gilt: der Straftatbestand umfasst jede Person und nicht nur den Arbeitgeber oder Führungskräfte.
Besonders problematisch beim Vorwurf der Begünstigung sind zusätzlich zwei weitere Umstände für Beschuldigte:
- Die Annahme der Begünstigung durch Betriebsratsmitglieder ist regelmäßig nicht strafbar, soweit keine Teilnehmer-Tathandlungen (Anstiftung etc.) gegeben sind.
- Sollte die Begünstigung durch den Arbeitgeber getragen werden, droht die weitere, strafrechtliche Verfolgung wegen Verstoß gegen das Betriebsausgabenabzugsverbots nach § 4 Abs. 5 S. 1 EStG.
Die Begünstigung hat deshalb weitreichende Folgen, die nicht nur den Täter selbst, sondern das gesamte Unternehmer steuerstrafrechtlich treffen können.
Einschränkung durch Strafantrag
Sollte der Vorwurf einer Strafbarkeit gem. § 119 BetrVG im Raum stehen, kann ein Ermittlungsverfahren nur mit einem Strafantrag eines Strafantragsberechtigten eingeleitet werden.
Strafantragsberechtigt sind dabei gem. § 119 Abs. 2 BetrVG
- der Betriebsrats
- der Gesamtbetriebsrat,
- der Konzernbetriebsrat,
- die Bordvertretung,
- der Seebetriebsrat,
- einer der in § 3 Abs. 1 BetrVG bezeichneten Vertretungen der Arbeitnehmer,
- der Wahlvorstand,
- der Unternehmer oder
- eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft.
Der Strafantrag ist innerhalb von 3 Monaten zu stellen und kann auch zurückgenommen werden.
Das Ermittlungsverfahren ist damit – relativ – disponibel durch die Beteiligten, sodass sich hieraus geeignete Verteidigungsansätze ergeben können.
Verhandlungen sollten stets gut anwaltlich vorbereitet und geführt werden, um Konfliktpotential zwischen den Parteien selbst zu reduzieren und um zu verhindern, dass sich ein Beschuldigter in den Verhandlungen (erneut) durch unbedachte Aussagen strafbar macht.
Fazit für Arbeitgeber
Arbeitgeber übersehen, insbesondere bei angespannten Beziehungen zum eigenen Betriebsrat, häufig die weitreichenden, strafrechtlichen Konsequenzen, die sowohl das eigene Handeln, als auch das Unterlassen bestimmter Maßnahmen nach sich ziehen können.
Deshalb kann im Falle von Streitpunkten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber nur nachdrücklich empfohlen werden, frühzeitig eine Taskforce für Arbeitsrecht aus erfahrenen Rechtsanwälten für Arbeitsrecht hinzuziehen.