Ob ein Arbeitnehmer sein monatliches Gehalt „wert ist“, wird der Arbeitgeber insbesondere dann kritisch beurteilen, wenn das Arbeitsverhältnis endet und die Tätigkeit mit geringer Nachprüfbarkeit aus dem Homeoffice erbracht wird.
Doch wer trägt die Beweislast für die erbrachte Arbeitsleistung? Und besteht sogar die Möglichkeit der Rückforderung durch den Arbeitgeber?
Mit diesem Fall hat sich das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (5. Kammer), Urteil vom 28.09.2023 – 5 Sa 15/23 – beschäftigt.
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Zahlung von restlichem Arbeitsentgelt, die Abgeltung von Urlaub und insbesondere über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt für Zeiten im Home-Office.
Die 1980 geborene Klägerin ist diplomierte Pflegewirtin (FH) und verfügt über einen Magisterabschluss Medizinpädagogik. Am 01.12.2021 nahm sie bei der Beklagten eine Tätigkeit als Pflegemanagerin und leitende Pflegefachkraft in der Tagespflege bzw. der ambulanten Pflege mit einer Arbeitszeit von 40 Stunden und einem Monatsgehalt von € 4.100,00 brutto auf. Die Klägerin ist einem 12-jährigen Kind unterhaltspflichtig.
Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält folgende Klausel:
„…
Alle Ansprüche der Arbeitsvertragsparteien aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend gemacht werden, ausgenommen sind Ansprüche aus Mindestlohn. Dies gilt nicht für Ansprüche aus Haftung wegen Vorsatz.
…“
Die Beklagte betreibt eine Tagespflegeeinrichtung sowie eine Einrichtung des betreuten Wohnens. Der Klägerin war gestattet, im Home-Office zu arbeiten. Die Arbeitszeiten waren monatlich in einer vorgegebenen Tabelle nach Arbeitsbeginn und Arbeitsende zu erfassen. Die Klägerin hatte insbesondere die Aufgabe, das Qualitätshandbuch und andere für das Pflegemanagement erforderliche Unterlagen zu überarbeiten.
In der Zeiterfassung für den Monat Dezember 2021 trug die Klägerin unter dem Kürzel BAP insgesamt 116:15 Stunden Home-Office und eine Gesamtarbeitszeit von 199:15 Stunden ein. Der Stundenzettel wurde im Auftrag der Beklagten von einer anderen Mitarbeiterin abgezeichnet. Am 14.12.2021, einem Arbeitstag im Home-Office, übersandte die Klägerin der Beklagten, zu Händen Frau G., eine E-Mail, in der sie um nähere Informationen zu Betreuungsverträgen und zu Regelungen mit der Auszubildenden, insbesondere zum Inhalt des Ausbildungsvertrages, bat.
Die Zeiterfassung für den Monat Januar 2022 weist insgesamt 166:15 Stunden aus, von denen 107:45 Stunden auf das Home-Office (BAP) entfallen. Am 20.01.2022, einem Arbeitstag im Home-Office, übersandte die Klägerin der stellvertretenden Pflegedienstleiterin, Frau B., verschiedene Word-Dokumente unter Hinweis auf den baldigen Abschluss der Qualitätsmanagement-Arbeiten. Mit E-Mail vom 21.01.2022 übersandte die Klägerin aus dem Home-Office an Frau G. zur Weiterleitung an die geschäftsführende Gesellschafterin S. verschiedene Word-Dokumente (Fortbildungsplan komplett, Verfahrensanweisung Dekubitusprophylaxe, Verfahrensanweisung Sturzprophylaxe, Verfahrensanweisung zum Umgang mit drohender oder bestehender Mangelernährung, Termine DB 2022, Verfahrensanweisung zur Förderung der Harninkontinenz, Verfahrensanweisung Schmerzmanagement). Zudem bat die Klägerin nochmals um Auskünfte zu dem Ausbildungsvertrag. Des Weiteren äußerte sie sich zur Zusammenarbeit mit einer Pflegefachkraft, nachdem sie mit dieser und anderen Mitarbeitern Gespräche geführt hatte. Schließlich bat die Klägerin um Mitteilung einer E-Mail-Adresse von Frau S., um direkt mit ihr kommunizieren zu können. Mit E-Mail vom 31.01.2022, wiederum aus dem Home-Office, berichtete die Klägerin u. a. über verschiedene Gespräche mit Mitarbeiterinnen wegen aufgetretener Konflikte. Zudem bemängelte die Klägerin eine fehlende Rückinfo zu den übersandten Dokumenten.
Aus der Zeiterfassung für den Monat Februar 2022 ergeben sich 60:15 BAP-Stunden bei insgesamt 167:45 Stunden. Die Zeiterfassung für den Monat März 2022 weist 16:30 BAP-Stunden bei insgesamt 188:45 Stunden aus. Ab dem 29.03.2022 war die Klägerin aufgrund eines Arbeitsunfalls krankheitsbedingt arbeitsunfähig.
Die Beklagte erteilte der Klägerin für den Monat April 2022 eine Lohnabrechnung über einen Betrag von € 4.100,00 brutto = € 2.601,92 netto. Die Lohnabrechnung für den Monat Mai 2022 weist ein Gehalt von € 1.058,06 brutto = € 845,64 netto aus. Die Entgeltfortzahlung endete am 08.05.2022.
Mit Schreiben vom 16.05.2022 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.05.2022. Mit der Kündigung forderte die Beklagte die Klägerin auf, alle Unterlagen wie das Qualitätshandbuch für die Tagespflege und das Qualitätshandbuch für die ambulante Pflege sowie die unterschriebene Stellenbeschreibung umgehend einzureichen und die unternehmenseigenen Unterlagen nachweislich zurückzugeben. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfügte die Klägerin noch über einen Resturlaubsanspruch von neun Tagen.
Mit Schreiben vom 23.06.2022 forderte die Beklagte von der Klägerin die Rückzahlung des Bruttolohns für 300,75 Arbeitsstunden im Home-Office in Höhe von insgesamt € 7.112,74 und erklärte die Aufrechnung gegen die noch offenen Lohnansprüche.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass ihr Anspruch auf Arbeitsentgelt für die Monate April und Mai 2022 sowie auf Urlaubsabgeltung nicht durch Aufrechnung erloschen sei. Die Beklagte habe keinen Anspruch auf Rückzahlung von Arbeitsentgelt für Arbeitsstunden im Home-Office. Die Klägerin habe sehr wohl Arbeitsleistung erbracht, was sich schon aus dem E-Mail-Verkehr mit der zuständigen Mitarbeiterin, Frau G., ergebe. Die Klägerin habe mit ihrem privaten Laptop gearbeitet, da Frau B. den dienstlichen Laptop genutzt habe. Von den in der Pflegeeinrichtung vorhandenen Arbeitsplatzrechnern aus habe sie keine Verbindung zum Server herstellen können, was sie der Beklagten mitgeteilt habe. Während der angegebenen BAP-Zeiten habe die Klägerin auch Pflegedienste und Hauswirtschaftstätigkeiten, wie z. B. Zimmerreinigung, ausgeführt. Abgesehen davon seien evtl. Ansprüche der Beklagten nach der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Ebenso wenig könne die Beklagte einen Bruttobetrag zurückverlangen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin [als Arbeitsentgelt für die Monate April und Mai 2022] € 3.447,56 netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie als Urlaubsabgeltung € 1.845,00 brutto zu zahlen und die Widerklage der Beklagten abzuweisen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen und – widerklagend für den Fall der Klagestattgabe – die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte € 7.112,75 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat zunächst angeführt, dass die Klägerin den Anspruch auf Urlaubsabgeltung fehlerhaft berechnet habe, da sich bei neun Urlaubstagen lediglich ein Betrag von € 1.703,08 brutto ergebe. Unabhängig davon seien die Ansprüche der Klägerin auf Arbeitsentgelt für die Monate April und Mai 2022 sowie auf Urlaubsabgeltung durch Aufrechnung erloschen. Die Klägerin habe Arbeitszeiten im Home-Office von insgesamt 300,75 Stunden angegeben, ohne irgendeinen objektivierbaren Arbeitsnachweis hierfür vorzulegen. Die Klägerin habe weder Änderungen an den Qualitätshandbüchern vorgenommen noch gebe es sonstige Ausarbeitungen oder Arbeitsdokumente. Die Beklagte müsse deshalb davon ausgehen, dass die Klägerin in den angegebenen Bürostunden keinerlei Arbeitsleistung erbracht habe. Die Klägerin habe das Arbeitsentgelt für die Bürostunden rechtsgrundlos erhalten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung von Arbeitsentgelt habe. Sie habe die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch nicht dargelegt. Die bloße Behauptung, dass die Klägerin während 300,75 Büroarbeitsstunden keinerlei Arbeitsleistung erbracht habe, genüge schon deshalb nicht, weil die Klägerin in dieser Zeit unstreitig bestimmte Tätigkeiten ausgeführt habe, beispielsweise die Aktualisierung von Verfahrensanweisungen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Beklagten kein Anspruch auf Gehaltsrückzahlung zustehe. Die Klägerin habe im Home-Office bewusst und gewollt keinerlei Arbeitsleistung erbracht. Sie habe wahrheitswidrig vorgetäuscht, das Qualitätshandbuch fertiggestellt zu haben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichtes Stralsund (Kammern B-Stadt) vom 23.11.2022 – – abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klägerin auf die Widerklage hin zu verurteilen, an die Beklagte einen Betrag in Höhe von € 7.112,75 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Zwar habe sie der Beklagten nicht eine komplette Fassung des Qualitätshandbuchs elektronisch übersandt, jedoch je nach Bearbeitungsstand immer wieder verschiedene Word-Dokumente hierzu. Die Beklagte arbeite noch heute mit den von der Klägerin erstellten Verfahrensanweisungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle und das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.
Entscheidung des Arbeitsgerichts
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nur in geringem Umfang begründet. Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin ein Anspruch auf das abgerechnete Nettoentgelt für die Monate April und Mai 2022 sowie auf eine Urlaubsabgeltung für neun Tage zusteht und die Klägerin nicht zur Rückzahlung von Arbeitsentgelt verpflichtet ist. Das Arbeitsgericht hat jedoch die Urlaubsabgeltung der Höhe nach fehlerhaft berechnet.
1. Klage
Der Anspruch der Klägerin auf Arbeitsentgelt für die Monate April und Mai 2022 ergibt sich aus § 611a Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 EFZG. Danach ist einem Arbeitnehmer im Falle einer unverschuldeten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen.
Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung folgt aus § 7 Abs. 4 BUrlG. Danach ist Urlaub abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Der Abgeltungsanspruch ist entsprechend § 11 Abs. 1 BUrlG zu berechnen. Auszugehen ist von dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst der letzten 13 Wochen. Verdienstkürzungen wegen unverschuldeter Arbeitsversäumnis bleiben bei der Berechnung außer Betracht (§ 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG). Der Klägerin steht bei neun abzugeltenden Tagen ein Betrag in Höhe von gerundet € 1.703,08 brutto zu (= € 4.100,00 x 3 Monate ÷ 13 Wochen ÷ 5 Arbeitstage x 9 Urlaubstage).
Die Ansprüche sind nicht durch Aufrechnung erloschen (§ 389 BGB). Es fehlt an einer Forderung der Beklagten gegen die Klägerin. Die Klägerin ist nicht nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet, einen Teil des Gehalts für die Monate Dezember 2021 bis März 2022 zurückzuzahlen.
Wer durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB zur Herausgabe verpflichtet. Die Gehaltszahlungen für die Monate Dezember 2021 bis März 2022 beruhen vollumfänglich auf einem Rechtsgrund, nämlich dem sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Vergütungsanspruch (§ 611a Abs. 2 BGB). Das gilt auch für die Arbeitszeiten im Home-Office.
Der Arbeitsvertrag verpflichtet den Arbeitnehmer zur Erbringung der Arbeitsleistung, den Arbeitgeber zur Zahlung der vereinbarten Vergütung (§ 611a BGB). Nach § 326 Abs. 1 BGB entfällt, wenn der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu leisten braucht, der Anspruch auf die Gegenleistung; bei Teilleistungen findet § 441 Abs. 3 BGB entsprechende Anwendung. Gemäß § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.
Demzufolge entfällt der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ganz oder teilweise, wenn er seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht oder nicht in vollem Umfang nachkommt, es sei denn, die Vergütung ist aus anderen Rechtsgründen fortzuzahlen, z. B. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das entspricht dem Grundsatz: „Ohne Arbeit kein Lohn“. Die Erbringung der Arbeitsleistung ist eine Fixschuld, die an feste Zeiten, also an bestimmte Tage und Stunden, gebunden ist und grundsätzlich nicht nachgeholt werden kann (BAG, Urteil vom 27. Januar 2016 – 5 AZR 9/15 – Rn. 22, juris = NZA 2016, 691; LAG Köln, Urteil vom 27. Januar 2022 – 6 Sa 593/21 – Rn. 38, juris = ; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Januar 2018 – 5 Sa 305/17 – Rn. 62, juris).
Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast, dass und in welchem Umfang der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht nicht erfüllt hat. Auf den entsprechenden Prozessvortrag des Arbeitgebers hat der Arbeitnehmer sodann substantiiert zu erwidern (LAG Thüringen, Urteil vom 17. Februar 2009 – 1 Sa 239/08 – Rn. 31, juris = EzA-SD 2009, Nr. 6, 9; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. Februar 2007 – 3 Sa 319/06 – Rn. 20, juris; LAG Köln, Urteil vom 30. April 2003 – 3 Sa 756/02 – juris). Das gilt auch bei Arbeitsleistungen im Home-Office.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, in welchem Umfang die Klägerin im Home-Office ihre Arbeitspflicht nicht erfüllt und keine Arbeitsleistungen erbracht hat. Die Beklagte hat weder eine Nichtleistung im Umfang von 300,75 Stunden noch in geringerer Anzahl belegt. Die Klägerin hat im Home-Office verschiedene Arbeitsleistungen erbracht, was sich insbesondere aus E-Mails ergibt, die die Klägerin an solchen Tagen an die Beklagte oder an dort Beschäftigte versandt hat. Soweit den E-Mails Anlagen beigefügt waren, lassen diese auf weitere vorangegangene Arbeitsleistungen schließen. Die Klägerin hat der Beklagten zwar nicht eine komplette und abschließend überarbeitete Fassung des Qualitätshandbuchs übersandt. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass die Klägerin, wie von der Beklagten behauptet, im Home-Office überhaupt nicht gearbeitet hat. Unerheblich ist, ob die Klägerin die Arbeiten in der gewünschten Zeit oder in dem gewünschten Umfang erledigt hat. Ein Arbeitnehmer genügt seiner Leistungspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet (BAG, Urteil vom 17. Januar 2008 – 2 AZR 536/06 – Rn. 16, juris = NZA 2008, 693).
Selbst wenn die Klägerin im Home-Office auch noch andere Arbeiten als die Aktualisierung der Qualitätshandbücher erledigt haben sollte, beispielsweise Angelegenheiten der Auszubildenden, entfiele deshalb nicht der Vergütungsanspruch. Der Beklagten stand es im Rahmen ihres Direktionsrechts frei, solche Tätigkeiten auf andere Mitarbeiterinnen zu übertragen oder selbst auszuführen und die Klägerin entsprechend anzuweisen. Das ändert allerdings nichts daran, dass die Klägerin tatsächlich Arbeitsleistungen für die Beklagte im Home-Office erbracht hat. Der erhobene Anspruch auf Rückzahlung von Gehalt ist auch nicht zum Teil begründet. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Klägerin zumindest an einzelnen Tagen oder Stunden gar nicht gearbeitet hat und welche Tage oder Stunden dies betrifft.
Der Beklagten steht kein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, da die Klägerin weder ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat noch ein Schaden nachgewiesen ist.
2. Widerklage
Die hilfsweise erhobene Widerklage ist unbegründet, da es, wie oben dargelegt, an einem Anspruch der Beklagten fehlt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.
Einordnung
- Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers entfällt ganz oder teilweise, wenn der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht oder nicht in vollem Umfang nachkommt, es sei denn, die Vergütung ist aus anderen Rechtsgründen fortzuzahlen, z. B. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
- Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast, dass und in welchem Umfang der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht nicht erfüllt hat. Auf den entsprechenden Prozessvortrag des Arbeitgebers hat der Arbeitnehmer sodann substantiiert zu erwidern. Das gilt auch bei Arbeitsleistungen im Home-Office. (amtl. Leitsätze)
Zweifellos gilt auch im Arbeitsrecht: keine Leistung ohne Gegenleistung.
Dabei ist der Streitpunkt die Frage, ob bzw. in welchem Umfang tatsächlich keine Arbeitsleistung erbracht worden ist. Hierfür muss der Arbeitgeber nach den klassischen Regelungen der Darlegungs- und Beweislastverteilung „den Aufschlag“ machen und konkret und greifbar darlegen, wodurch und in welchem Umfang die Arbeitsleistung nicht erbracht worden ist.
Gelingt dies dem Arbeitgeber, muss sich der Arbeitnehmer insoweit entlasten und substantiiert darlegen, weshalb die Einwände des Arbeitgebers unrichtig sind.
Andernfalls droht der Entfall und sogar die Rückforderung der bisher geleisteten Lohnzahlungen.
Für Arbeitnehmer
Die Leistungskontrolle und die Quantifizierung der eigenen Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber kann speziell bei Remote- bzw. Homeoffice-Tätigkeiten ein gewichtiges Einfallstor für drohende Rückforderungen in etwaigen arbeitsgerichtlichen Verfahren darstellen.
Die eigene Arbeitsleistung sollte deshalb im Zweifel selbstständig dokumentiert werden. Hierzu sollten Sie sich jedoch anwaltlich beraten lassen, um nicht unbeabsichtigt gegen gültige Betriebsvereinbarungen oder arbeitsvertragliche Anweisungen zu verstoßen.
Für Arbeitgeber
Das Urteil ist im Ergebnis zwar zu Lasten des Arbeitgebers entschieden worden, liefert jedoch praxistaugliche Impulse für prozesstaktische Erwägungen. Insbesondere bei leistungsschwachen Arbeitnehmern im Homeoffice lassen sich durch Betriebsvereinbarungen bzw. arbeitsvertragliche Ergänzungen Leistungskontrollen rechtskonform etablieren. So können Rückforderungsansprüche gesichert und auch noch klageweise verfolgte Lohnansprüche des Arbeitnehmers effektiv abgewehrt werden. Die Bedeutung der Entscheidung sollte deshalb nicht unterschätzt werden, auch wenn der „erste Aufschlag“ für den Beweis ausgebliebener Arbeitsleistung immer noch beim Arbeitgeber liegt.