Wann nimmt ein „Raser“ die Gefährdung anderer Straßenverkehrsteilnehmer in Kauf? Die Frage ist immer wieder nach Autorennen mit schwerverletzten oder sogar getöteten Autofahrern von großer Bedeutung für das Strafmaß und entscheidet nicht selten über die Frage: Haftstrafe oder Bewährung? Der BGH hat mit Beschluss vom 13.09.2023 – 4 StR 132/23 die Anforderungen an den Nachweis des Vorsatzes weiter konkretisiert.
Sachverhalt
In dem vorliegenden Fall hat das Landgericht (LG) Neuruppin den Angeklagten wegen verbotenem Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, fahrlässiger Körperverletzung und unerlaubtem Entfernens vom Unfallort zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt. Der Angeklagte hatte auf einer Landstraße mit einem hochmotorisierten Pkw, einem Mercedes AMG, einen tödlichen Unfall verursacht, bei dem zwei Personen ums Leben kamen und zwei weitere verletzt wurden
Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des LG Neuruppin nun teilweise aufgehoben. Der Schuldspruch wegen verbotenem Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge konnte keinen Bestand haben, da das LG nicht hinreichend festgestellt hatte, dass der Angeklagte den erforderlichen Gefährdungsvorsatz hatte. Der Gefährdungsvorsatz setzt voraus, dass der Täter nicht nur die allgemeine Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugrennens kennt, sondern auch die konkreten Umstände kennt, die den Gefahrerfolg als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen, und sich damit zumindest abfindet.
Entscheidung des BGH
Das LG hatte festgestellt, dass der Angeklagte davon überzeugt war, die Kurve auch mit der angestrebten überhöhten Geschwindigkeit durchfahren zu können, und darauf vertraute, dass die Gefährdung entgegenkommender Verkehrsteilnehmer sich nicht realisieren würde. Nach Auffassung des BGH fehlte es somit am erforderlichen (bedingten) Gefährdungsvorsatz. Auch die Verurteilung wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1 a) StGB wurde aufgehoben.
Die Sache wurde nun an eine andere Strafkammer des LG zurückverwiesen, die über die neue Verhandlung und Entscheidung zu entscheiden hat. Das neue Gericht wird unter anderem prüfen müssen, ob der Angeklagte auch den Tatbestand der Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2 d) StGB erfüllt hat.
Einordnung für Beschuldigte
Der Beschluss des BGH betrifft eine seit vielen Jahren hochstreitige Frage in s.g. „Raserfällen“: Was hat das Täter wohl gedacht, als er mit hoher Geschwindigkeit über rote Ampeln – oder wie hier – auf die Gegenfahrspur in in einer Kurve fuhr?
Beschuldigte sollten deshalb bei derartigen Vorwürfen uneingeschränkt schweigen und einen Strafverteidiger mit der Verteidigung beauftragen.
Dabei hat der BGH deutlich gemacht, dass eine hohe Geschwindigkeit allein nicht ausreicht, um von einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen auszugehen. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzukommen, die den Gefahrerfolg als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen. Der BGH hat betont, dass es auf eine konkrete Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer ankommt und dass der Täter sich damit zumindest abfinden muss.
Prominenteres Beispiel, mit dem sich der BGH bereits zweimal beschäftigten musste, sind dabei die s.g. „Kudamm-Raser„, bei denen ein Verkehrsteilnehmer tödlich verletzt worden ist.
In der Praxis zeigt sich seit der Neueinführung des § 315d „Verbotene Kraftfahrzeugrennen“ ein besonderer polizeilicher Ermittlungs- und Verfolgungseifer, auch wenn insbesondere bei s.g. Alleinrennen der Tatbestand regelmäßig nicht erfüllt ist.
Vor dem Hintergrund, dass bereits mit Eröffnung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahren regelmäßig der Führerschein vorläufig entzogen wird (§ 111a StPO), sollten Beschuldigte schnellstmöglich anwaltlichen Rat einholen.